Den Arm sollen noch mehr Tattoos zieren. Gesicht und Achseln sind für Lisa Polosek tabu. Foto: Werner Kuhnle

Für Lisa Polosek sind Tattoos mehr als Körperschmuck. Sie sind Teil der Persönlichkeit der 22-Jährigen.

Sommerserie Unter die Haut - Ganz oder gar nicht“ – so könnte man die Mentalität von Lisa Polosek wohl beschreiben. Anstatt nur im Musikverein Oberstenfeld zu musizieren, übernimmt sie einfach mit 22 Jahren die Vorstandschaft. Und auch was ihre Tattoos angeht, ist sie eine Senkrechtstarterin. „Mein erstes Motiv habe ich mir schon mit 16 stechen lassen“, erinnert sich die junge Frau zurück. Ein Motiv mit Notenschlüssel an der Hüfte sollte es werden – ihre Eltern gaben dazu ihr Einverständnis. Da habe der Tätowierer unbedingt darauf bestanden.

Und aus einem Motiv wurden schnell mehrere. Mittlerweile zieren auch ihren linken Arm, die Schulter, den Hals und die Hand Tätowierungen. „Ich bin ziemlich kreativ und chaotisch“, erklärt Polosek. „Mir fallen neue Motive ein, und die Pausen dazwischen werden immer kürzer.“

Willkürlich ist ihre Auswahl deshalb aber noch lange nicht. Wenn sie sich ein Motiv verewigen lässt, dann „muss ich es lange wollen, damit ich es nicht bereue“, so die 22-Jährige. Hinter jedem Tattoo stecke auch eine tiefere Bedeutung. „Am Anfang waren es vor allem Motive mit Bezug zur Musik“, erklärt sie und weist auf ihren Oberarm. Dort verschmelzen eine Gitarre, Klaviertasten und Tonfrequenzen: „Ich wollte eigentlich alle Instrumente, die ich spiele, verewigen. Aber noch fehlen die Tuba und die Querflöte.“

Das Thema Musik setzt sich auf dem rechten Arm fort. Dort prangt ein Zitat aus dem Lied „The Book of Love“. Hier seien mit den Themen Musik und Liebe zwei wichtige Punkte in ihrem Leben vereint. „Nur die Familie fehlt hier noch“, erklärt Lisa Polosek weiter.

Die stehe ihrem Körperschmuck aber größtenteils positiv gegenüber. Die Mutter nehme das locker. „Und mein Vater meint zu jedem immer nur: ,Das war jetzt aber das Letzte!`, erzählt Lisa Polosek mit einem Schmunzeln. Dafür könne und wolle sie aber nicht garantieren. „Also mein Arm wird schon noch voll. Ich könnte mir etwa einen Engel und einen Dämon vorstellen. Und ich möchte noch mehr Rosen.“

Eine solche ziert bereits ihren Arm, das einzige bunte Tattoo, das Lisa Polosek hat. „Ich wollte am Anfang nur schwarz-weiß, weil ich Angst hatte, dass die Farbe nicht zum Rest oder zur Kleidung passt“, erklärt sie. Aber eine Rose in Schwarz hätte nicht zur Leidenschaft gepasst, die sie mit dem Motiv ausdrücken wollte. „Und jetzt greife ich die Farbe immer wieder auf.“ So auch in dem Motiv eines kleinen Mädchens, das Äpfel aufsammelt. Betrachtet man das Bild auf dem Unterarm der 22-Jährigen aber aus der Ferne, erkennt man einen Schädel. „Man sollte die Dinge stets von zwei Seiten betrachten“, lautet Poloseks Credo.

Das sei für ihren Job als Sozialarbeiterin im Krankenhaus Heilbronn unabdingbar. Dort bekomme sie übrigens überwiegend positive Reaktionen auf ihre Tattoos. „In der Frauenklinik sind viele junge Eltern. Die sind etwas lockerer“, erzählt Polosek. Bei den Senioren stoße sie dagegen hin und wieder auf Vorurteile. Umso mehr freue es sie, wenn im Gespräch dann dieser erste Eindruck überwunden werden kann. Denn für die 22-Jährige sind ihre Tattoos eine Möglichkeit, „meine Kreativität an mir selbst auszuleben“. Eben nicht nur im Kopf, sondern auch auf der Haut. „Die Tattoos helfen mir dabei, ich selbst zu sein.“

So fließen in ihre Motive auch oftmals sehr persönliche Geschichten ein. „Es gibt Phasen, in denen habe ich schreckliche Alpträume“, erzählt Lisa Polosek offen. Oft drehen sich die nächtlichen Bilder um den Tod. Als „Gegenmittel“ habe sie sich einen Traumfänger an den Hals stechen lassen. Und auch ein Maori-Symbol stehe für Mut, Ausgeglichenheit und Kampf. „Mir gefällt es, wenn die Bedeutung eines Tattoos nicht sofort klar ist“, so Polosek. Über andere Motive, wie ein Bild auf der Hüfte, möchte sie deshalb auch nichts erzählen.

Menschen, die selbst überlegen, sich unter die Nadel zu legen, gibt sie den Tipp mit auf den Weg, sich das Motiv gut und auch lange zu überlegen. Außerdem stellt sie klipp und klar fest: „Es tut weh.“ Ihre längste Sitzung habe nahezu sechs Stunden gedauert: „Aber wer Angst vor dem Schmerz hat, für den kann das Tattoo nicht so wichtig sein.“