Foto: Tobias-Mayer-Verein

Die Teilnehmer haben nicht nur die neue Längengrad-Ausstellung in Greenwich besichtigt. Auch Stonehenge stand auf dem Programm.

Marbach/London - Der in Marbach geborene Tobias Mayer (1723 – 1762) war kein großer Reisender. Im Vergleich zu anderen Zeitgenossen war sein Radius recht bescheiden. Anders verhielten sich nun 26 Mitglieder des nach ihm benannten Marbacher Vereins: Unter Führung ihres Vorsitzenden Professor Armin Hüttermann unternahmen sie eine einwöchige Exkursion nach London und Südengland. Anlass war die Eröffnung einer Ausstellung in Greenwich, in der auch Mayers Wirken eine Rolle spielt.

Vom berühmten Observatorium Greenwich, das 1884 durch internationale Vereinbarung als Ausgangspunkt des Nullmeridians der Erdvermessung definiert wurde, sind es nur wenige Schritte zum National Maritime Museum, einem Prachtbau nahe des Themseufers. Prachtvoll und hervorragend gestaltet sind auch die Ausstellungen in diesem Bau, mit dem sich die Schifffahrtsnation Great Britain selbst ein Denkmal gesetzt hat.

Ziel der Gruppe war die Sonderausstellung „The Quest for Longitude“, die der Geschichte der Bestimmung der Längengrade auf See gewidmet ist. Im Gegensatz zur Bestimmung der Breitengrade, die mit einfachen Messmethoden schon lange vorher möglich war, konnte man die Längengrade bis etwa 1760 nicht bestimmen, sondern nur schätzen, was die Navigation auf See überaus schwierig machte. Bereits 1714 setzten Queen Anne und das britische Parlament daher ein hohes Preisgeld aus, um die größten Geister der Zeit zu animieren, sich des Problems anzunehmen. Seehandel und Marine hatten großes Interesse an der Verbesserung der Navigationsmöglichkeiten, nachdem mehrfach Schiffe mangels genauer Ortung verloren gegangen waren. Fünf Jahrzehnte sollten vergehen, bis befriedigende Lösungen gefunden und praktisch erprobt worden waren.

Tobias Mayer, der als 28-Jähriger in Göttingen einen Lehrstuhl für Mathematik inne hatte, widmete sich unabhängig von dem ausgesetzten Preisgeld dem Thema Längengrad, da nicht nur die Seenavigation, sondern auch die Landkarten seiner Zeit an der mangelhaften Bestimmbarkeit der Längengrade litten. Mayer beschäftigte sich über Jahre hinweg mit mathematisch exakt berechneten Monddistanztabellen, die er schließlich als Lösungsvorschlag dem von Queen Anne eingesetzten Gremium von Wissenschaftlern einreichte.

Versuche praktischer Anwendung fielen positiv aus; kein geringerer als Kapitän James Cook wandte Mayers Methode auf seiner Weltumsegelung an. Andere Methoden erwiesen sich allerdings als ebenso praktikabel, sodass Mayer nur ein Anteil des Preisgeldes zugesprochen wurde – dies allerdings erst nach seinem frühen Tod, sodass seiner Witwe das Geld zukam.

In der sehenswerten, methodisch-didaktisch hervorragend aufgemachten Ausstellung kommt Tobias Mayer der gebührende Stellenwert zu, wie den Exkursionsteilnehmern vom Ausstellungsmacher Dr. Richard Dunn in einer Sonderführung gezeigt wurde. In der Literatur wird Mayers Leistung bekanntlich hin und wieder verschwiegen, in der Ausstellung jedoch kommt klar zum Ausdruck, dass die Mayersche Methode sehr genau war. Bis ins 20. Jahrhundert wurde sie deshalb auf See angewandt.

Allein für einen Ausstellungsbesuch wäre die weite Reise nun allerdings doch zu aufwendig gewesen, und so unternahm die Gruppe nach einem Besichtigungsprogramm durch London eine viertägige Busfahrt nach Oxford, Newbury, Stonehenge, Salisbury und Windsor. Interessante Einblicke in mehrere Colleges der Universität Oxford zeigten, dass sich der Aufbau dieser Universität grundlegend unterscheidet von anderen Universitäten. In Avebury erlebten die Teilnehmer den größten Steinkreis der Welt und am Silbury Hill den größten prähistorischen künstlich aufgeworfenen Hügel in Europa. Andachtsvoll umrundete die Gruppe den weltberühmten rätselhaften Steinkreis von Stonehenge. In dem dortigen nagelneuen Informationszentrum wird die Frage, was die damaligen Menschen bewog, derartige Mühen auf sich zu nehmen, um ein solches Bauwerk zu errichten, nicht eindeutig beantwortet. In Salisbury war es vor allem die riesige Kathedrale, die beeindruckte.

Dem Vereinsvorsitzenden und Reiseleiter Professor Hüttermann wurde von den Reiseteilnehmern großer Dank für eine hochinteressante, lehrreiche und dabei auch unterhaltsame Exkursionswoche gesagt. Und wie es so seine Art ist, verband er sein Schlusswort auf dem Flughafen Heathrow gleich mit der Werbung für die nächste Fahrt: 2015 wird Neuseeland das Ziel sein.