Das Leichtathletik-Dress hat Leonie Hunker gegen den Rennanzug eingetauscht. Foto: avanti

Die 18-jährige Leonie Hunker ist Bobanschieberin. In Thüringen arbeitet sie hart für ihre Ziele.

Steinheim - Sie war vor zwei Jahren süddeutsche U18-Meisterin im Kugelstoßen, wurde kurz darauf Vierte bei den Deutschen Jugendmeisterschaften. Die drei-Kilo-Kugel beförderte sie 15,5 Meter, die vier-Kilo-Kugel 13,5 Meter weit. Erfolgreich war sie auch in ihrer Paradedisziplin, dem Diskuswurf. Sie erreichte Weiten bis zu 43 Meter, wurde mehrmals Landesmeisterin. Kurz gesagt: Leonie Hunker aus Steinheim war ein vielversprechendes Leichtathletik-Talent, das sich in der Szene im Trikot des LAZ Salamander Kornwestheim-Ludwigsburg einen Namen machte. Der ganz große Durchbruch aber gelang ihr nicht. Also wechselte sie – ehrgeizig wie sie ist – vom Wurfplatz an den Eiskanal. Und wurde Bobanschieberin.

„Es hat in der Leichtathletik einfach nicht mehr so geklappt, auch weil ich nach Bandscheibenproblemen, die ich 2014 hatte, nur noch Kugelstoßen machen konnte, und keinen Diskus mehr“, sagt die 18-Jährige rückblickend, die nun von „einer zweiten Chance“ spricht. Als zu jener Zeit in Stuttgart eine Sporthalle eröffnet und vor dem Eingang das Bobanschieben präsentiert wurde, kam sie erstmals mit ihrer heutigen Disziplin in Berührung. Und nach ein paar Selbstversuchen ging dann alles ganz schnell: Bereits die Saison 2015/16 bestritt sie als Bobanschieberin. Im Sommer 2016 gab sie ihren Abschied von der Leichtathletik bekannt. „Am Ende habe ich versucht, beides parallel zu stemmen. Den Bobsport im Winter, die Leichtathletik im Sommer. Aber das ist zu viel für den Körper“, sagt Leonie Hunker.

Also konzentriert sich die Steinheimerin seit ihrem Abitur im vergangenen Jahr voll auf den Bobsport. Den Winter über lebt sie im thüringischen Oberhof. Der Stätte in Deutschland, an der für Bobanschieber die besten Bedingungen herrschen. Trainiert wird hier nicht nur wie sonst auf Tartan, sondern auch auf Eis. Im April startet sie in Stuttgart ins Training, im September folgen in Oberhof die Tests, ab Oktober die Wettkämpfe.

Doch was ist Bobanschieben genau? Eine Frage, die man hierzulande sicherlich ungeniert fragen darf, wo die höchste Er-hebung des Landkreises doch nichtmal die 500-Meter-Marke erreicht und man das Bobfahren für gewöhnlich nur aus dem Fernsehen kennt. Ziel ist es, wie der Name vermuten lässt, den Bob aus dem Stillstand heraus möglichst schnell über eine Strecke von 50 Metern zu schieben. Wobei nur die ersten 30 Meter gestoppt werden – 5,29 Sekunden braucht die 18-Jährige dafür in Oberhof, danach folgt der Sprung in den Bob. Die ersten zehn Meter absolviert sie in 2,10 Sekunden. Nach 50 Metern endet dann die Strecke – es folgt also keine rasante Abfahrt in einem Eiskanal.

„Einige Leichathleten wechseln in den Bobsport. Und es ist üblich, dass sie erstmal mit dem Anschieben beginnen. Darauf liegt auch meine Konzentration“, sagt sie. Das Anschieben geht alleine, zu zweit oder zu viert. „Das ist schon ein Unterschied, da die Leichtathletik ja eine Einzelsportart ist. Hier geht’s ums Team. Ich bin hier gut aufgenommen worden, war sofort eingebunden“, berichtet die junge Sportlerin.

Im Gespräch wird schnell deutlich, dass die 18-Jährige diesen Weg auch eingeschlagen hat, weil sie Erfolge feiern möchte. Ein- bis zweimal täglich wird sie ab April trainieren, für den nächsten Winter strebt sie mit ihrer neuen Partnerin Anna Köhler an, sich in den Selektionsrennen zum Saisonstart für den Europacup zu qualifizieren und bei der Junioren-WM an den Start zu gehen. Bislang war sie dort als Ersatz dabei. Künftig möchte sie auch Pilotin werden, den Bob also an der vorderen Position anschieben. Ein weiterer Schritt wäre dann der Start im Eiskanal. Und um ihre Karriere mit ihrem geplanten Studium verbinden zu können, hofft sie auf die Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr.

„Langfristig habe ich hier im Bobsport natürlich höhere Chancen. Mein Ziel ist es, einmal bei einem Weltcup anzuschieben. Und natürlich – jeder Sportler träumt von einer Olympiateilnahme“, sagt Leonie Hunker, und fügt gleich an: „In der Leichtathletik hätte ich da keine Chance gehabt.“ Anders möglicherweise im Bobsport: So zählt sie derzeit zu den jüngsten Anschieberinnen, viele deutsche Bob-Mitstreiterinnen werden nach den nächsten Winterspielen im Jahr 2018 in Pyeongchang aufhören. Wer würde da also nicht von Peking 2022 träumen?