Burkhard Damrau (links) und Dieter Richter sind in Steinheim gewohnt bissig. Foto: Avanti

Feine Wortakrobatik, dafür steht die Leipziger Pfeffermühle ebenso wie für bissige Satire. 240 Gäste kommen.

Steinheim - Man mag es den beiden netten älteren Herren gar nicht abnehmen, dass man auch mit verrutschtem Gebiss richtig bissig sein kein. „Willkommen zum Informationsabend der Deutschen Rentenversicherung“, begrüßt Burkhard Damrau die 240 Gäste.

Jörg Thum freut sich mit seinem Kult-X-Team bei der Wiedervorlage „Da Capo“ nach drei Jahren über das ausverkaufte Foyer der Erich Kästner Realschule. Weiter geht’s: „Mit unserer Hilfe kommen Sie auch zur Altersarmut.“ Dieter Richter wähnt sich noch in der Fasnet und wirft fröhlich Konfetti. „Stimmung!“

Mit der „Regelalterberechnungsformel“ bekommt der Rentenanspruch ab 95 eher symbolische Bedeutung. Zuschlag gibt es nur bei „mittelfristiger Ablebegarantie“ für Raucher und Radfahrer. Die künftigen Rentner werden per Gewinnspiel ermittelt. „Rentenlos – Sie sind Ihre Rente los“, singen die beiden Herren im weißen Hemd, und Marcus Ludwig am Flügel stimmt „Mit 66 Jahren“ dazu an.

Im Alter ist schon das Hinsetzen eine Herausforderung, was Dieter Richter herrlich schauspielert. „Was hoch geht, muss auch wieder runter“, ist der Running Gag des Abends. Der Bufdi im Altersreservat heißt jetzt Senildienstleistender. „Es kommt nicht darauf an, wie alt man ist, sondern wie man alt ist.“ Ob Parkinson oder Alzheimer ist eigentlich egal. „Entweder man verschüttet den Kaffee oder man weiß nicht mehr, wo man ihn hingestellt hat.“ Ein Kalauer jagt den anderen. Sogar „fünf Steinheimer Krötenschoppen“ bringt der Richter runter, um sich den Nazi-Schläger zum wehrlosen Opfer schönzusaufen.

„In dubio Prosecco!“ Die Verwicklungen der Schwarzarbeit von Polen über die Ukraine nach Tadschikistan bis nach Absurdistan wickeln die beiden Schnellsprecher ebenso auf, wie sie mit dem schwerfälligen Moderator und dem ausschweifenden Professor Doktor Böhm nach dem Gagfeuerwerk zu Beginn gekonnt etwas Tempo rausnehmen. Die Wechstabenverbuxelei von Dieter Richter fordert das Hirn, wieder auf Hochtouren zu schalten: „Das gibt mir die Verlegenheit zu einer gemeinen Zwischenambulanz.

Meine Lahmen, meine Plärren: Nichtsdestorotz strecken wir alle Biere von uns. Wir ham ja die Fressebreiheit und die Gleichbeknechtigung.“ Vertieft wird die DDR-Vergangenheit des seit 1954 bestehenden Polit-Kabaretts: „Wir stehen Pleite an Pleite mit dem amerikanischen Kapitalismus zur gleichen Geldanschauung. Lassen Sie mich zusammenfaseln: Liebe Mitbetrüger – eine Hand casht die andere. Wir sitzen doch alle im gleichen Kot!“ Beonder lutig wird, wenn der Wortakrobat Buchtaben wie da S weglät. Dass der Sozialismus nicht funktionieren kann, wird bei der Diskussion über das Mitnutzungsrecht am fremden Schirm deutlich.

Aber auch im Westen ist nicht alles golden. „Wir haben 2,5 Millionen Arbeitslose. Der Rest ist Berufsberater beim Arbeitsamt.“ Oder: „Haben Sie schon mal überlegt, für welchen notleidenden Bänker Sie die letzten Monate gearbeitet haben?“ Statt der Großen Koalition läuft gerade alles auf die „Große Kollision“ hinaus.

Aber ohne Meinung geht es auch nicht. „Wenn demnächst Bundestagswahl wäre, würden Sie überhaupt noch wählen? Sind Sie für Passkontrollen an der Armutsgrenze?“ Die meisten Bundesbürger haben wie die Mehrzahl der Verheirateten keine Meinung mehr. „Die Partei ,Keine Meinung‘ wird auch die nächsten Wahlen gewinnen“, prognostizieren die Statistiker von der Pfeffermühle.

Zwei Drittel der Befragten geben mehr für Alkohol als für Gemüse aus. „Sie würden doch alle mehr Möhren essen, wenn man davon betrunken werden würde?“ Aktives Wahrnehmungsmanagement ist da gefragt. „Wir kennen Ihre Meinung schon, bevor Sie eine haben.“ Dazu passt auch der Schlusssong vorzüglich: „Schalt ab das Hirn!“