Denise Ritzmann lässt auf der Strecke die Reifen quietschen. Foto: Ascheberg-Photo

Mit dem kleinsten Motor im Wettbewerb driftet die 29-Jährige ihrer Konkurrenz davon.

Steinheim - Durchdrehende Hinterreifen, Rauchwolken, schnelle Drifts: Aus Steinheim kommt die Drifterin Denise Ritzmann, die europaweit Erfolge feiert und bereits jetzt schon ordentlich Spuren hinterlassen hat. Nicht nur auf Asphalt. Kürzlich ist Denise ganz oben auf dem Drift-Olymp des hiesigen Kontinents angekommen. Im „Queen of Europe“ sicherte sich die Steinheimerin den Titel und darf sich damit offiziell Europameisterin im Driften nennen – ein Sport, der sich für die Fahrerin durch die ganze Teamleistung auszeichnet und bei dem sich gemeinsam mit der Konkurrenz auf der Strecke eine große Familie im Fahrerlager bildet. Über die Strecke zischt selbstredend das getunte Auto, das über einen Bereich hinausgebracht wird, in dem manchem wohl nur noch eine Tüte helfen würde.

Der Weg zum Titel war seit Ende 2009 dennoch ein langer. Mit ordentlich Talent versehen kurvte sich Denise aber ganz schnell nach oben. „Mit acht oder neun Jahren saß ich das erste Mal mit drin“, erinnert sie sich. Durch ihren großen Bruder, der 2012 selbst Europameister wurde, ist sie zu diesem eher außergewöhnlichen Sport gekommen, seit 2009 war sie dann auf jedem Rennen dabei – und entschied sich am Ende jenes Jahres, selbst auf die Piste zu gehen. „Das wollte ich einfach ausprobieren und besorgte mir ein Einsteigerauto.“ Genauer einen BMW e30 325 Touring mit Heckantrieb, den sie mit Freunden entsprechend aufbaute. Mit diesem ging es dann zu den ersten freien Drifts. „Ich habe festgestellt, dass es mir Spaß macht und ebenso Talent vorhanden ist“, so die aktuelle Europameisterin. „Das war das erste Mal, dass ich überhaupt selber gedriftet bin. Ich wusste nicht viel. Nicht mal, dass man beim Drift gegenlenken muss.“ In der Folge hat sich Denise beinahe alles selbst beigebracht – das Fahren mit der richtigen Geschwindigkeit (mit bis zu 160 Sachen geht’s da in den Kurven zu), der richtige Driftwinkel, die Linienwahl und den Stil. Hinzu kamen mit der Zeit ab und an ein paar Tipps erfahrener Drifter.

Ganz steil nach oben ging es im aktuellen Kalenderjahr, obwohl sich der große Erfolg in den vergangenen zwei Jahren bereits abzeichnete: Bei insgesamt vier Drifts war sie da mit am Start, drei davon endeten für sie ganz oben auf dem Treppchen, eines auf Rang zwei. Das reichte aufgrund zu weniger Rennen, was aus finanziellen Gründen und wegen eines zu schwachen Motors einfach nicht anders möglich war, folglich auch nicht für das Finale der Meisterschaft. „Das hatte mich gefuchst, dass am Ende trotz meiner guten Ergebnisse jemand anderes ganz oben stand“, gibt Denise Ritzmann zu. Das sollte sich zur Meisterschaftsrunde in diesem Jahr ändern: Von einem bereits mit 286 PS versehenen Motor ging es rauf auf 435 PS, um die langgezogenen Kurven auf schnellen Strecken zu meistern – im Vergleich zur Konkurrenz aber noch immer im unteren Bereich. „Das ist eines der leistungsschwächsten Autos im Wettbewerb“, freut sich Denise, die damit im ersten Jahr als Teilnehmerin bei „Queen of Europe“ direkt den Titel abstaubte und für ordentlich Furore sorgte.

„Hol den Titel heim, du schaffst das“, hieß es aus dem nationalen Umfeld bereits vor dem ersten Rennen. Diese Drifts starten mit einer Qualifikation, die die Fahrer anschließend in Battles einteilt – zwei Autos auf der Strecke, die jeweils abwechselnd hintereinander herdriften, gewertet werden das Tempo, der Driftwinkel, die Linienwahl und der Stil – der Hintere kopiert die Fahrt des Vorausfahrenden.

Dabei startete die Saison gar nicht so gut: Beim ersten Drift in Österreich, nachdem Denise Ritzmann zwei Tage vorher noch im Krankenhaus weilte und körperlich schwach war, kamen noch technische Defekte am Fahrzeug hinzu – die Steinheimerin biss auf die Zähne und holte sich den dritten Rang. Im Folgerennen in Italien war in der Qualifikation noch der erste Platz drin, nach einem erneuten technischen Defekt im Battle landete Denise am Ende aber nur auf Rang vier. Erst im dritten Lauf in Frankreich sollte es dann klappen: „Das ist meine Lieblingsstrecke“, fügt sie an. „Die liegt mir einfach.“ Nicht nur weil die Strecke so „smooth“ sei, sondern auch die vergangenen Erfolge machen die Strecke zu etwas Besonderem. „Gleich im ersten Training hat alles super funktioniert“, so die Steinheimerin. Fast schon selbstredend endete der Tag auf dem ersten Platz, wie auch die folgenden beiden Drifts, die sie letztlich ins Finale führten – mit 40 Punkten Vorsprung. Dieser brachte Denise Ritzmann im Finale in Österreich bereits mit der gewonnenen Qualifikation den Meistertitel ein. Das war am Ende auch gut so, denn mit „leichten“ technischen Problemen – genauer einer kaputten Kupplung –, die das Team innerhalb von zwei Stunden reparieren musste, verlor Denise Ritzmann das Battle, konnte nicht mehr um den Sieg mitfahren und landete auf Rang drei. Gefeiert wurde im Anschluss dennoch bis zum Morgen.

Dabei fährt Denise so ganz nebenbei nicht nur um den Titel der „Queens“, auch beim „King of Europe Pro“, der obersten Klasse in Europa, mischt die 29-Jährige trotz des von der Leistung her eher unterklassigen Autos ganz oben mit und stand vor dem Finale in der gemischten Liga auf dem beachtlichen sechsten Rang. Ein weiterer Beweis für ihr großes Talent, dessen Schau auf der Strecke dennoch einmal mehr von ihren Sponsoren abhängt, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre. Denn ein teures Unterfangen ist das Driften allemal: So ein Training liegt aufgrund der Verschleißteile im vierstelligen Preisbereich, da trainiert man am besten nur an den Meisterschaftstagen selbst. Und ein für die Elite konkurrenzfähiges Auto mit 600 PS aufwärts schlägt mit rund 35 000 Euro zu Buche, die Verschleißteile noch nicht einberechnet. „Da hängt nicht nur meine Titelverteidigung im kommenden Jahr in der Luft, eigentlich möchte ich auch in der King of Europe Pro angreifen und zeigen, was ich kann“, so die mittlerweile auch als Stuntfahrerin erfolgreiche Drifterin. Da reiche das Talent allein eben nicht mehr aus – die Leistungsdifferenz ist hier einfach zu groß. Und wenn es am Ende mit dem erweiterten Sponsoring klappen sollte, dürften sich auch die Männer schon auf schwere Zeiten einstellen. „Wenn Denise so ein Auto wie wir hat, müssen wir uns warm anziehen“, zeigte der aktuelle Meister der King of Europe Pro-Series große Ehrfurcht vor der Steinheimer Driftkönigin, die übrigens am 27. und 28. Oktober auf dem Hockenheimring noch den ein oder anderen Beifahrer gegen eine kleine Gebühr mitnehmen könnte – Tüte inklusive.