Ewa Horke lässt die Bottwartalbahn, den Entenmörder, in der alten Kelter in Kleinbottwar wieder aufleben. Foto: Werner Kuhnle

Warum sich die Regisseurin und Autorin Ewa Horke mit der Bottwartalbahn beschäftigt hat, erzählt sie im Gespräch.

Steinheim-Kleinbottwar – - Der Theaterhaufen Bottwar führt ab Freitag, 26. September, in der alten Kelter in Kleinbottwar das Stück „‘s Bähnle“ auf. Ewa Horke, die in Krakau Theaterwissenschaften studiert hat, ist Regisseurin und Autorin des Stücks, das die 1968 stillgelegte Bottwartalbahn für kurze Zeit wieder zum Leben erweckt.
Frau Horke, als Sie hierhergekommen sind, gab es die Bottwartalbahn schon lange nicht mehr. Was hat Sie an dem Thema gereizt?
Der Theaterhaufen Bottwar möchte immer gerne Stücke mit einem regionalen Bezug aufführen. Wir haben lange Zeit hin- und herüberlegt, was wir machen könnten. Die Idee wurde schließlich geboren, als ich einen der Schauspieler zum Bahnhof Steinheim fuhr und wir während der Fahrt verschiedene mögliche Themen diskutierten. Da fiel auf einmal das Stichwort „Entenmörder“. Ich fragte völlig verdutzt: „Wie bitte?“ Er erklärte mir, dass es sich um eine Eisenbahn handelte, die früher durch das Bottwartal dampfte. Meine Neugierde war geweckt. Ich habe im Internet recherchiert, und es hat mir keine Ruhe mehr gelassen. Das wurde noch stärker, als ich anfing, mit den Menschen über die Bottwartalbahn zu sprechen. Es ist ja nicht immer ganz einfach, mit den Schwaben ins Gespräch zu kommen. Doch beim Stichwort „Bähnle“ haben selbst verknauzte, wortkarge alte Männer auf einmal leuchtende Augen bekommen und wie ein Wasserfall geredet. Da war mir klar, dass das ein Thema ist, das auch heute noch viele bewegt.
Wie sind Sie sonst noch an Informationen gekommen?
Es gibt sehr viel schriftliches Material, auch Bücher. Außerdem hat der SWR eine Folge seiner Serie „Eisenbahnromantik“ der Bottwartalbahn gewidmet. Ich habe auch in Archiven gesucht. Das ist der Teil des Stücks, in dem die Geschichte der Bottwartalbahn wiederbelebt wird. So zum Beispiel, als nach dem großen Brand von Ilsfeld im Jahr 1904 das württembergische Königspaar mit der Bahn anreiste, um den obdachlos Gewordenen Trost zuzusprechen. Auch der Kampf um den Erhalt der Bahn, der dann doch verloren ging, ist ziemlich genau dargestellt. Außerdem war es uns wichtig, ein Gefühl für die Bahn zu bekommen. Und so sind wir auf die Fahrräder gestiegen und haben mit den Familien einen Ausflug gemacht. Der heutige Fahrradweg nach Schozach verläuft ungefähr so wie die alte Bahn, abgesehen von einigen Stellen, wo inzwischen Häuser gebaut wurden. Mit diesen drei Quellen – den historischen, den Anekdoten, die die Menschen erzählen konnten, und den auf der Radtour gesammelten Eindrücken – hatten wir schließlich Unmengen von Material.
Das ist dann aber noch kein Theaterstück . . . 
Richtig. Ich wusste auch zunächst nicht, was ich mit den ganzen Informationen machen sollte. Dann ist mir aufgefallen, dass die Bahn in unterschiedlicher Streckenlänge etwa siebzig Jahre lang fuhr, und ich dachte: „Das ist ein Menschenleben.“ So kam mir die Idee, den fiktiven Lokführer Heinz Bütterer als zentrale Figur zu erschaffen, der den roten Faden in der Geschichte bildet. Die einzelnen Ereignisse werden dann wie an einer Perlenkette aufgereiht. Das ist dann die grobe Struktur des Stücks. Mir ging es darum, dass sich die Leute im Stück wiederfinden, auch wenn sie das eine oder andere anders erlebt haben. Damit es möglichst authentisch ist, war nicht alles vorgegeben, sondern auch die Schauspieler konnten ihre Rollen entwickeln. Es soll aber kein Geschichtsbuch sein, sondern Theater.
Wie muss man sich das vorstellen, dass die Schauspieler ihre Rollen entwickeln? Betrifft das auch den Text?
Das ist ganz unterschiedlich. Einige Szenen sind sehr genau vorgegeben, zum Teil wurden sogar historische Zitate übernommen, beispielsweise von Transparenten, die bei der Bahn hingen. Dann gibt es wieder Szenen, die aus dem Nichts entstanden, so zum Beispiel, als Jugendliche mit der Bahn in die Schule fahren. Das war völlig improvisiert. Das ist auch das Schöne an so einem Stück. Zuletzt habe ich beispielsweise mit dem Verein Miteinander Attraktives Großbottwar (MAG) den „Entaklemmer“ aufgeführt. Das ist ein wunderbares Stück, aber eben schon fertig; da kann man nur noch Nuancen verändern. „’s Bähnle“ dagegen ist etwas, das die Leute leben. Sie sind ja zum Teil hier geboren, und die lokale Geschichte bedeutet ihnen sehr viel. Das merkt man auch immer, wenn man mit den Menschen hier darüber spricht. Sie sind sehr interessiert und bieten uns auch ihre Hilfe an. Eine Frau beispielsweise hat das Kostüm von Bütterers Frau Gisela im Stil der Dreißigerjahre genäht, ein Mann hat uns die Schienen und die Waggons zur Verfügung gestellt, ein anderer hat uns in technischen Dingen beraten und uns verschiedene Bahnutensilien geliehen. So ist es ein Stück für alle und mit allen.
Wie lange und wie oft proben Sie schon für das Theaterstück?
Angefangen haben wir etwa im Jahr 2011. Dann gab es eine Zwangspause, und jetzt proben wir seit dem Frühjahr einmal pro Woche, und zwar immer einzelne Szenen mit unterschiedlichen Schauspielern. Es gibt ja keine durchgehende Handlung, sondern einzelne Episoden, die durch den Lokführer Heinz Bütterer und die Bahn zusammengehalten werden. Jetzt werden wir die Zahl der Proben erhöhen, und drei Proben sind dann eine Gesamtprobe, wo zum ersten Mal alles komplett durchgespielt wird.
Was war das für eine Zwangspause?
Das Stück sollte eigentlich schon früher aufgeführt werden. Doch dann ist uns kurz vor der Premiere die geplante Spielstätte im Steinheimer Industriegebiet abhandengekommen. Damit war das Ganze erst einmal gestorben. Aber der Theaterhaufen wollte das Stück unbedingt machen, weil die Schauspieler schon sehr viel Zeit und natürlich auch Herzblut investiert hatten und vom Thema begeistert sind. Also sagte ich: „Gut, wenn wir eine neue Spielstätte finden, dann machen wir das.“ Mit der alten Kelter hier hatten wir unglaubliches Glück. Der Raum hat Atmosphäre. Vor allem ist aber praktisch schon alles da, was man braucht; man muss nicht noch viel investieren, denn so ein Projekt ist natürlich immer auch eine finanzielle Frage. Hier haben wir die Möglichkeit, verschiedene Bahnhöfe zu zeigen, es gibt ein Wohnzimmer des Lokführers, es gibt einen Bereich, in dem die Kneipe ist. Was will man mehr.
Ist das Ihr erstes Stück als Autorin?
Nein, beim ersten Stück, das ich mit dem Theaterhaufen zusammen gemacht habe, „Matern Feuerbacher“, habe ich auch schon mitgeschrieben, weil die Textfassung stark bearbeitungsbedürftig war. Außerdem arbeite ich auch in der Theaterpädagogik, und da ist man ständig mit Umschreiben beschäftigt. Wenn es in einem Stück nur einen König und eine Prinzessin gibt, sind die Kinder, die keine so tolle Rolle bekommen, meistens unglücklich. Da muss man kreativ sein.