Nonne Walpurgis in der Steinheimer Kirche. Foto: avanti

Heimatpflegerin Helga Becker hat als letzte Nonne des Klosters Marienthal zu einer kulinarische Zeitreise in die Vergangenheit eingeladen.

Der Gottesdienst in der Martinskirche war gut besucht. Zusammen mit dem Kirchenchor und Heimatpflegerin Helga Becker hatte Pfarrer Matthias Maier am Sonntag eine Andacht rund um das Thema Essen gestaltet. Die Predigt handelte von koscheren Speisen und den Essgewohnheiten zu biblischen Zeiten. Dass Pita, Falafel, Hummus und Halva es zu Trendgerichten in der modernen Welt geschafft haben, erklärte der Pfarrer mit einem Augenzwinkern. Noah sei nicht nur der erste Weintrinker, sondern auch der erste Betrunkene der Bibel gewesen. Unzählige Warnungen vor zu viel Alkohol würden in weiteren Bibeltexten folgen.

Nachdem die Predigt eingestimmt hatte, erhielt Helga Becker das Wort. Da „Geschichte sehr gut in Geschichten erzählt werden kann“, schlüpfte sie in die Rolle der Nonne Walpurgis, mit deren Tod im Jahr 1580 auch die Zeit des Klosters Marienthal zu Ende ging. Erstaunt lief sie durch die Reihen: Jahrelang hatte sie sich gegen die Reformation gewehrt – nun fand sie sich mitten in der evangelischen Gemeinde Steinheims wieder.

Mit den Essgewohnheiten zur Zeit des Mittelalters kennt sie sich aus, den als Verwalterin war sie unter anderem für die Klosterküche zuständig. Als Bewohner eines der reichsten Klöster in der Region haben die Nonnen keinen Hunger fürchten müssen, erklärte sie. In Stallungen wurden nicht nur Geflügel, Schweine und Ziegen gehalten, sondern sogar Pfauen und Fasane. Gemüse und Kräuter, wurden in den Klostergärten angebaut. Die dienten nicht nur zum Würzen sondern auch als Heilmittel für die Klosterapotheke und das Hospital. Neben der Züchtung sei auch die Käse- und Quarkgewinnung im Kloster kultiviert worden, da überschüssige Milch verwertet werden musste.

„Bis zu 150 Fastentage hatten wir im Jahr“ erzählte Walpurgis. Um die zu umgehen, wurden neben der Maultasche viele andere Tricks angewandt. So galten Biber und Sumpfschildkröten als Fisch, und wurden während der Fastenzeit angerichtet. Das arme Volk dagegen habe sehr selten Fleisch gegessen – dazu gehörten auch Eidechsen und Ratten. Hauptsächlich ernährten sie sich von Grütze. Die aß man mit den Händen, denn Geschirr war selten. Dies sei nicht nur in armen Haushalten üblich gewesen. „Im ganzen Mittelalter wurden keine Gabeln verwendet, denn ihre Zinken galten als Teufelswerk.“

In Hungersnöten sei es von Vorteil gewesen, nahe eines Klosters zu leben, da dort oft Almosen vergeben wurden, erklärte die Heimatpflegerin. Kritisch schildert Walpurgis das Verhältnis der Adligen und Kaufleute zum Essen. Nicht nur zeigten sie ihren Reichtum mit der Verschwendung von Gewürzen. Sie ließen auch aufwendige Schauessen zubereiten. Das Personal plante tagelang riesige Portionen und kochte stundenlang. Sobald angerichtet war, wurde das arme Volk eingeladen. Probieren durfte niemand. Ob überhaupt jemand bei einem Schauessen aß, sei fraglich. Essensreste seien an Hunde verfüttert worden.

Nach dem Gottesdienst ließen sich 15 Interessierte von Walpurgis noch durch die Ausstellung „Von mancherley guoter spîse“ im Klostermuseum führen. Am letzten Tag dieser Ausstellung konnten die Besucher die Lebensmittel der Klosterzeit begutachten, riechen und sogar schmecken.