Susanne Herden, Thomas Utz, Josip Juratovic (MdB), Bürgermeister Thomas Winterhalter, Ute Rößner, Anita Göt und Günther Perlinger (von links) haben sich anlässlich des 1. Mai mit Themen aus der Arbeitswelt und mit der sich im Wandel befindlichen Foto: avanti

Der Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic hat bei der Vormaifeier des SPD-Ortsvereins gesprochen.

Steinheim - Der SPD-Ortsverein Steinheim feiert seit Jahrzehnten am Abend vor dem 1. Mai und lädt dazu nicht nur Personal- und Betriebsräte, sondern auch Ortsvereine aus der Umgebung ein – und traditionell auch einen Redner, der über arbeitnehmerrelevante Themen spricht.

Hervorgegangen ist die Veranstaltung einst aus einem Empfang der Stadt unter dem SPD-Bürgermeister Alfred Ulrich, erzählte der Vorsitzende des Ortsvereins, Friedmar Sonntag, der sich auch über Gäste aus Marbach, Großbottwar, Murr, Oberstenfeld, Erdmannhausen, Pleidelsheim und Pforzheim freute. Als Ulrichs Nachfolger im Bürgermeisterstuhl den Empfang nicht fortgesetzt habe, habe der Ortsverein beschlossen, die Tradition zu übernehmen.

„Am Vorabend des 1. Mai halten wir das für eine gute Möglichkeit, um Themen aus der Arbeitswelt anzusprechen und in die Öffentlichkeit zu tragen“, betonte Sonntag. Dies sei gerade in Zeiten der Globalisierung wichtig. Der Steinheimer Bürgermeister Thomas Winterhalter sagte in seinem Grußwort, er freue sich, die Tradition fortbestehen zu lassen. Darüber hinaus schnitt er Themen an wie die größer werdende Schere zwischen Arm und Reich, die zunehmende Rücksichtslosigkeit bei der Durchsetzung persönlicher Interessen sowie den gravierenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum: „Aktuell erhalten 23 Haushalte in Steinheim Wohngeld, 20 Personen sind als obdachlos durch die Kommune eingewiesen.“

Der Hauptredner des Abends, der Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic, kam immer wieder auf eine Kernaussage zurück: „Demokratie braucht Mitgestaltung.“ Der gebürtige Kroate, „der einzige ehemalige Fließbandarbeiter im Deutschen Bundestag“, wie er betonte, sagte, man habe in der Gesellschaft nicht nur Rechte, sondern auch die Pflicht, sich zu beteiligen. „Eine bessere und arbeitnehmerfreundlichere Politik kann es nur geben, wenn sich die Arbeitnehmer auch beteiligen“, rief er unter Applaus der etwa 30 Gäste im Foyer des Rathauses. Leider gebe es zu viele Karrieren nach dem Muster „Kreißsaal – Hörsaal – Plenarsaal“. Ohne die Verdienste von Akademikern schmälern zu wollen, meinte er: „Wie soll sich ein Akademiker in die Situation eines Arbeiters hineindenken?“ Es sei die „ureigene Aufgabe der Sozialdemokraten, dafür zu kämpfen, dass die Gesellschaft erhalten bleibt“, die es auch ihm als Migrant und Arbeiter ermögliche, Politik zu gestalten.

Angst habe er dabei nicht vor den Trumps und Putins, sondern „vor unserer eigenen Naivität. Europa ist zerfleddert, aber wir brauchen ein starkes Europa.“ Es sei keine Lösung, zu schimpfen und Protestparteien zu wählen; wer etwas verändern wolle, müsse sich engagieren. Fortschritt und Technologie lassen sich nicht bremsen, aber mitgestalten. „Wir werden die Welt nicht grundsätzlich verändern können, aber für mehr Gerechtigkeit sorgen, das erwartet man von uns.“ Und so sah er denn „keine Alternative zur Sozialdemokratie, wenn wir unseren Sozialstaat, unsere humane, solidarische Gesellschaft erhalten wollen.“