Heike Obleser, Franziska Kunz und Markus Schneider (von links) haben den Abend gemeinsam gestaltet. Foto: Lorenz Obleser

Die Buchhandlung Taube und die Stadtbücherei etablieren ein neues literarisches Programm.

Marbach - Während manch Elternteil noch beim kleinen Kind auf der Bettkante sitzt und eine schöne Geschichte zur guten Nacht liest, begrüßten die Buchhandlung Taube und die Stadtbücherei die Gäste in der Wendelinskapelle. Erstmals war die „Vorlesestunde für Erwachsene“ ausgeschrieben. Rund zwei Dutzend Gäste waren zur Premiere gekommen, um zwei Kapiteln aus Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“ zu lauschen.

Vor 90 Jahren waren Zweigs historische Miniaturen erstmals erschienen. Die 14 „Sternstunden“ behaupten, geschichtsträchtige Knicke in der kulturellen Entwicklung der Menschheit quasi protokollarisch aufzulisten. Der 1881 in Wien geborene Stefan Zweig war aber weniger an chronistischer Sorgfalt interessiert. Als Schriftsteller folgte er mit sprachlichen Mitteln seiner Witterung, die manchen geschichtsträchtigen Augenblick mit Fantasie zu einem Schmuckstück der deutschen Literatur fasste.

Franziska Kunz, die Leiterin der Stadtbücherei Marbach, und ihre Mitarbeiterin Heike Obleser gestalteten den ersten Teil der Vorlesestunde. „Das erste Wort über den Ozean“ ist das Kapitel überschrieben, das die beiden Frauen dem Publikum vortrugen. Mit der Übertragung der ersten telegrafischen Nachricht von Europa in die USA endet jene Sternstunde, die den amerikanischen Unternehmer Cyrus W. Field als Protagonisten ausweist. Die Versenkung des transatlantischen Kabels im tosenden Weltmeer in der Mitte des 19. Jahrhunderts bot Zweig reichlich Gelegenheit, die weltumspannende Macht menschlicher Kommunikation in zahlreichen Nuancen abzubilden. Kunz und Obleser hatten ihren Vortrag mit bunten Grafiken zum Thema und zu der Sammlung der Fakten Zweigs gestützt.

Die „Sternstunden der Menschheit“ sind längst in den Kanon der Literaturvermittlung aufgenommen. Generationen von Schülern und Schülerinnen wurden sie immer wieder in den Ranzen gepackt. Viele haben sie schon gelesen und der unterhaltenden Leichtigkeit ihrer Beschreibung beigewohnt. Und so bekömmlich der literarische Genuss ist, so leicht vergisst man auch wieder, mit welcher Gewandtheit Stefan Zweig seine Geschichtsstunden abhält. Immergrün bleiben diese Miniaturen, selbst wenn die Geschichte der Menschheit noch länger andauert und noch manche Sternstunde nachzutragen ist. Stadtbücherei und Buchhandlung Taube sind auch über die kulturelle Abendstunde hinaus Partner. Im Tagesgeschäft tragen sie mit den unterschiedlichsten Angeboten zur Literaturförderung von Kindern und Jugendlichen bei. Diese Arbeit für Kindergärten und Schulen soll mit dieser als Reihe konzipierten Vorlesestunde auch ins Bewusstsein der Erwachsenen getragen werden. Der Erlös wird dem Engagement für Kinder und Jugendliche zugutekommen.

Markus Schneider, Inhaber der Buchhandlung Taube, las das Kapitel, das Georg Friedrich Händels Stunden schildert, die der Komponist für sein Messias-Oratorium aufwandte. Der ausgelassene Applaus der Gäste mündete in einem Umtrunk mit Rotwein und Gebäck. Fortgesetzt wird diese Vorlesestunde für Erwachsene im Herbst in der Stadtbücherei.