Ein emporsteigender Engel ziert Kai Gehrings Rücken. Foto: Werner Kuhnle

Der Fußballer Kai Gehring von der SG Sonnenhof Großaspach stellt mit seinem Tattoos dar, dass jeder Mensch beide Seiten in sich trägt.

Großaspach - Eine gute Seite – eine böse Seite: Gerade für Innenverteidiger von Fußball-Mannschaften trifft diese Eigenschaft häufig zu. Oder besser gesagt: muss sie zutreffen. Einerseits halten Innenverteidiger das Mannschaftsgebilde im Abwehrverhalten zusammen. Sie sind mit einer meist starken Persönlichkeit ein Lautsprecher ihrer Mitspieler. Sie treiben ihre Teamkollegen nach vorne. Andererseits ist es ihre Aufgabe, knallhart zu sein: In Zweikämpfen, wenn es darum geht, ein Gegentor mit allen, bestenfalls fairen Mitteln zu verhindern. Dann gehen Innenverteidiger, wie man so schön sagt, dahin, wo es wehtut.

Ein solcher Innenverteidiger ist Kai Gehring von Fußball-Drittligist Sonnenhof Großaspach. Mit einer Körpergröße von 1,93 Metern ist der 28-Jährige prädestiniert für diese Position. Auch er geht dazwischen, wenn es sein muss, scheut kein Kopfballduell. Und der gebürtige Göppinger sagt: „Ich glaube, dass jeder Mensch eine gute und eine böse Seite in sich hat.“ Also nicht nur der Innenverteidiger auf dem grünen Rasen, sondern jedermann. Auch er selbst. Das spiegelt sich in seinen Tattoos wider.

Ein Engel auf dem rechten und ein Teufel auf dem linken Arm, jeweils gehalten in schwarz, verdeutlichen diese Gegensätze. Noch ist Gehring mit seinem Körper-Kunstwerk nicht fertig, zumindest seine rechte, also „gute“ Seite ist aber im Großen und Ganzen abgeschlossen. Zu dem weiblichen, mit Federn geschmücktem Engel gesellt sich hier in der englischen Sprache das gesamte Vaterunser auf dem Unterarm sowie an der Schulter das Motto, jeden Tag des Lebens möglichst zu genießen. „Denn man ist länger tot als lebendig“, heißt es da. Vervollständigen möchte er noch die linke, also die „böse“ Seite. Auch der Teufel ist hier in Form einer weiblichen Figur dargestellt, umgeben von kahlen Ästen.

Engel? Teufel? Vaterunser? „Mit Religion habe ich sonst keine Verbindung“, meint Kai Gehring. Die Motive sind aber geeignet, um die Gegensätze zu verdeutlichen. Auch hat der Fußballer nicht nur religiöse Motive gewählt. Auf seinem rechten Arm befinden sich die Initialien seiner Eltern und seiner Schwester, an der linken Hüfte gar die exakten GPS-Koordinaten der einzelnen Geburtsorte seiner engsten Familienangehörigen und seines Elternhauses in Eislingen. „Das habe ich meiner Mutter an ihrem Geburtstag gezeigt“, erinnert sich Gehring, der auch in Sachen Tattoo froh um die Unterstützung seiner Familie ist. „Auch wenn sich die Begeisterung mit dem ersten Tattoo in Grenzen hielt. Aber das dürfte bei allen Eltern der Fall sein“, so der 28-Jährige schmunzelnd.

Das erste Motiv ließ sich Gehring bereits im Alter von 18 Jahren stechen. Ein Spruch machte den Anfang: „Der Wille führt zum Erfolg“ steht auf Arabisch auf der Rückseite seines linken Oberarms geschrieben. Rein sportlich gesehen bewahrheitete sich dieser Leitspruch für ihn bereits. Gelten soll er natürlich auch im Alltag. Passend zu diesem Spruch ließ sich Gehring auf dem Rücken einen aufsteigenden Engel tätowieren. Dieser reicht vom Nacken bis ins Kreuz. Die großen Flügel breiten sich über die gesamten Schulterblätter aus.

Schritt für Schritt lässt Kai Gehring seine Tattoos vervollständigen. Wie Puzzlestücke fügt sich eins zum anderen. Zum Tätowierer seines Vertrauens in Weiler im Allgäu geht er in der Winterpause, wenn kein Spielbetrieb und Training stattfinden. „Die Motive sind keine spontanen Einfälle. Ich gebe mir ein Jahr lang Zeit und überlege gut, ob ich dieses Tattoo wirklich haben möchte. Das bleibt schließlich ein Leben lang“, erklärt er. Folgen soll auch noch das linke Bein, das bislang untätowiert ist. Das rechte Bein ist bereits vom Ober- bis zum Unterschenkel verziert. „Diese Zeichen der Maori habe ich bei Rugbyspielern aus Neuseeland gesehen. Das hat mir als Körperschmuck gut gefallen. Das Knie war allerdings die mit Abstand schmerzhafteste Stelle für ein Tattoo“, meint Gehring. Im Gegensatz zu den anderen Motiven haben diese Zeichen keine tiefere Bedeutung.

Daher verwendet der Profisportler das Wort Körperschmuck sonst auch ungern für seine Tattoos. Diese seien schließlich nicht da, um von anderen groß bestaunt zu werden. Vielmehr sind sie für ihn selbst von Bedeutung. Gehring ist also niemand, der sich beim Fußball bei jeder Gelegenheit das Trikot vom Leib reißt. Ob das zu den guten oder bösen Seiten des Fußballers zählt? Das liegt dann wohl im Auge, oder besser gesagt: am Geschmack des Betrachters.

Tattoo-Serie
Jeden Samstag in den Sommerferien stellen wir einen Menschen vor, der sich hat tätowieren lassen. Was bedeutet ihm sein Tattoo oder seine Tattoos? Seit wann hat er das oder die Bilder auf der Haut? Und warum hat er das große oder kleine Kunstwerk überhaupt stechen lassen? Ein Video mit Johannes Knödler vom Tattoo-Studio in Marbach kann auf unserer Homepage www.marbacher-zeitung.de angeschaut werden.