Foto: privat

In Venezuela hat Redakteurin Sandra Brock endlich Schlangen sehen, anfassen und sogar retten dürfen.

Hätten wir in diesem  Urlaub nach dem dritten Tag zurückfliegen müssen – es hätte uns nichts ausgemacht. Klar bin ich im Nachhinein froh über alle weiteren Eindrücke, die wir von  diesem schönen Land  bekommen durften. Aber Tag drei in Venezuela hat einfach alles übertroffen. Eigentlich hatten wir noch nicht allzu viel erlebt. Eine Nacht in Caracas, der Weiterflug nach Barinas im Landesinneren. Soweit, so gut. Wir erreichen Hato el Cedral, eine Farm  Farm in den Llanos, im Bundesstaat Apure. Sie liegt in der venezolanischen Tiefebene und umfasst ein Gebiet von 53 000 Hektar, auf denen unzählige Tiere leben.

Wir haben Glück. Es ist Ende der Trockenzeit, das heißt, alle Tiere tummeln sich rund um die verbliebenen Wasserlöcher: Wasserschweine samt putzigem Nachwuchs, Vögel in allen Formen und Farben, Kaimane, ein riesiges Krokodil, und, und, und – Anakondas. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die Schlangen nicht mögen. Im Gegenteil: Ich finde sie ziemlich faszinierend. Mein Mann Thorsten auch, insofern haben wir uns immer gewünscht, eine Schlange mal in freier Wildbahn zu sehen und nicht nur in der Wilhelma. Doch trotz einiger Reisen in die Ferne blieb die „Ausbeute“ bislang ziemlich mager: ein telefonkabeldünnes Reptil kreuzte mal im Perunaischen Regenwald unseren Weg.

Jetzt sind wir auch nicht nach Venezuela gereist, um Schlangen zu sehen. Aber wenn es welche gibt, kann man ja mal gucken, dachten wir. Und unser Guide Tomás und ein Mitarbeiter der Farm haben uns mehr als nur gucken lassen. Ich glaube, Tomás wollte uns die größte Anakonda zeigen, die es gibt. An einem Wasserloch fängt er an, mit einem Stock den Schlamm zu durchsuchen, greift plötzlich beherzt in die triefende Erde und zieht – unter deutlicher Anstrengung – eine Anakonda heraus. Und zieht und zieht. Das Ding ist locker fünf, sechs Meter lang und wiegt wohl um die 40 Kilo. Tomás hält das Tier meinem Mann entgegen. „Hier, nimm sie, mit der einen Hand direkt unterhalb des Kopfes, dann kann sie dich nicht beißen.“ Außerdem erfahren wir von ihm: „Anakondas sind nicht giftig, aber die Bisse sind unangenehm und können sich entzünden.“ Na dann.

Anakondas umschlingen ihre Beute und das tun sie auch mit den Handgelenken der ungebetenen Besucher an diesem Tag, also uns. Immer schön gegenwickeln ist also angesagt.  Ich stelle schnell fest: Anakondas haben ganz schön Kraft und sind insgesamt  zu schwer für mich. Alleine kann ich das Tier gar nicht halten. Zu zweit geht es aber und wir bewundern die glatte Haut, die Kraft und die Schönheit dieses Tieres. Schweren Herzens lassen wir die Schlange wieder ziehen, sie fühlt sich in ihrem Schlamm eindeutig wohler als bei uns.

Am Abend kommen wir noch einmal zu dem Tümpel zurück. Im Gepäck haben wir drei kleinere Anakondas, die wir an dem Wasserloch freilassen. Wir  haben sie ein Stück weit entfernt im austrocknenden Schlamm gefunden. Tomás fackelt nicht lange, zieht sie aus ihrer misslichen Lage und packt sie in die große Kühltruhe auf dem Truck. Wir staunen  nicht schlecht – mal wieder.  Am Ende dieses dritten Tages in Venezuela wundern wir uns dann schon fast nicht mehr darüber, dass wir auf dem Weg zurück zur Farm noch zwei Kälbchen aus dem Schlamm ziehen. Ein sehr intensiver Tag geht zu Ende, der Urlaub zum Glück noch nicht. Tag drei bleibt ungeschlagen. Aber wir sehen und lernen  noch viel von und über Venezuela – und sind im Nachhinein froh, gerade noch rechtzeitig dort gewesen zu sein, bevor die große Krise das Land schüttelte, dort Ausnahmezustand herrscht und das Auswärtige Amt von Reisen dorthin abrät…

Die Fakten:

Urlaubsjahr 2015
Land: Venezuela
Mit wem: Ehemann Thorsten
Wie lange: drei Wochen

Zur Person:

Sandra Brock, 38 Jahre alt, geboren in Marktoberdorf im Allgäu. Seit 2006 Redakteurin bei der Marbacher Zeitung.