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Marian Grau ist Deutschlands jüngster Reiseblogger. Mit ausschlaggebend dafür ist seine erste größere Reise an Weihnachten 2013 nach Kambodscha gewesen.

Marian Grau ist Deutschlands jüngster Reiseblogger. Mit ausschlaggebend dafür ist seine erste größere Reise an Weihnachten 2013 nach Kambodscha gewesen. Die hielt eine für ihn prägende Begegnung parat.

Dass Marian Grau aus Affalterbach mit seinen inzwischen 16 Jahren der jüngste Reiseblogger Deutschlands ist, hängt maßgeblich mit seiner ersten größeren Reise zusammen: Kambodscha im Jahr 2013. Sie war es nicht nur, die bei dem damals Elfjährigen die Lust weckte, weitere Ecken dieser Welt zu erkunden. Sondern sie hielt für Marian auch eine besondere Begegnung bereit – eine, die er noch heute zu seinen ganz besonderen Urlaubsmomenten zählt. Sogar sein im April veröffentlichtes Buch „Bruderherz“ leitet er mit diesem Erlebnis ein.

Passend zur folgenden Erzählung: Sie ereignet sich an Heilig Abend. Mit seiner Mutter Manuela, mit der er über die Feiertage und den Jahreswechsel Kambodscha erkundet, sitzt Marian in der Stadt Battambang beim Abendessen. Für ihn ist es die schönste Stadt des Landes, auch weil sie nicht so touristisch ist. Das Restaurant „White Rose“ ist ein einfaches, die Plastikstühle und -tische stehen auf dem Bürgersteig. Die Hauptspeise kostet umgerechnet zwei Euro, die Sonne ist bereits untergegangen. Was genau es zu Essen gibt, daran erinnert sich Marian heute nicht mehr. Wohl aber weiß er, dass er die riesige Portion nicht ganz schaffte. „Das passiert mir sonst nie. Mir ist es eigentlich immer wichtig, alles aufzuessen“, meint der Gymnasiast. Damals ist das aber nicht zu machen.

Hier kommt nun Cheng ins Spiel – ein Junge so alt wie Marian. Und wie sich herausstellt: ein Straßenjunge. Dieser zieht Marian vorsichtig am T-Shirt und zeigt auf den Teller. Ohne, dass die beiden dieselbe Sprache sprechen, ist klar: Cheng möchte den Teller von Marian leer essen. „Er war schüchtern und ich merkte, dass ihm das sehr peinlich war. Aber es war seine einzige Chance, an Essen zu kommen. Gerade weil in der Stadt sonst ja nur wenige Touristen sind“, so Marian. Die Kellnerin versucht noch, den Jungen wegzuschicken, Marian und seine Mutter wimmeln sie aber ab. Stattdessen erlauben sie Cheng, den Teller leerzuessen. Dazu bestellen sie ihm eine Sprite, Marians Lieblingsgetränk. „Es ist schließlich Weihnachten“, sagen sich die beiden deutschen Touristen. Der Junge nimmt dankend an und setzt sich an die Bordsteinkante, um zu essen. „Er wurde dann etwas entspannter und musste auch nicht mehr zu uns aufgucken. Das war mir wichtig, denn das mag ich überhaupt nicht“, stellt Marian klar. Der Affalterbacher setzt sich dann auch neben den gleichaltrigen Cheng, der deutlich dünner und kleiner als er ist.

„Wir haben geredet und uns mit Händen und Füßen verständigt. Er machte mir dann deutlich, ich solle warten. Ich dachte zuerst, den sehe ich nie wieder, als er verschwand“, so der heute 16-Jährige. Doch er täuscht sich: Cheng kommt mit einer ganzen Gruppe von Jungs wieder, einer von ihnen kann ein paar Worte Englisch. „Wie sich zeigte, waren das die Brüder von Cheng. Ihre Eltern waren gestorben, ein Kinderheim gab es nicht. So lebten sie auf der Straße“, sagt Marian. Kurzerhand stellen er und seine Mutter Manuela also einen weiteren Tisch hinzu und bestellen vier, fünf Hauptgerichte samt Sprites.

„Sie waren sehr dankbar und haben uns dann deutlich gemacht, dass wir mal mitkommen sollen“, blickt Marian zurück. Er und seine Mutter wissen in diesem Moment nicht, was sie erwartet – sie entscheiden sich aber, die Jungen zu begleiten. „Sie haben uns zu einer Zeremonie geführt, die in einer Art Hinterhof stattfand. Ich weiß bis heute nicht, was gefeiert wurde. Aber es war eine tolle Vorführung mit viel Musik.“

Warum diese Begegnung dem Jungen aus Affalterbach so in Erinnerung geblieben ist? „Mich hat bewegt, dass all die Jungs viel glücklicher waren als ich, auch als wir uns zwei Tage später nochmal sahen. Auf dem Erinnerungsfoto grinsen alle außer ich. Und das, obwohl sie nichts hatten“, sagt Marian, dem vor allem die vielen Gesten der Jungen in Erinnerung geblieben sind.  Die Verabschiedung, als Marian und seine Mutter Manuela in den Bus stiegen, sei für ihn dann „echt schlimm“ gewesen. „Da habe ich auch geweint. Mich hat einfach die Perspektivlosigkeit dieser Jungs mitgenommen. Ich hingegen habe alle Chancen, ein Dach über dem Kopf und kann einfach zum Kühlschrank gehen und  essen“, so Marian, der sich immer wieder fragt, was wohl aus Cheng und seinen  Brüdern geworden ist. „Ich befürchte aber, dass sie auch heute noch auf der Straße leben. Würde ich dort noch mal hinreisen, würde ich bestimmt wieder den einen oder anderen von ihnen antreffen.“

Die Fakten:

Urlaubsjahre: 2013 und 2014

Land: Kambodscha

Mit wem: Mutter Manuela Grau

Wie lange: zweieinhalb Wochen

Zur Person:

Marian Grau,  16 Jahre aus Affalterbach-Birkhau

Gymnasiast und Deutschlands jüngster Reiseblogger. Im April veröffentlichte er das Buch „Bruderherz – Ich hätte dir so gern die ganze Welt gezeigt“, das seinem Bruder Marlon gewidmet ist, der mit zwölf Jahren starb. Auf seine Reisen in ärmere Regionen nimmt er stets Buntstifte mit, um diese an Straßenkinder zu verteilen.