Vom Wasser ist nicht mehr viel zu sehen. Der Baggersee ist im Sommer flächendeckend mit der Wasserlinse bedeckt. Foto: Frank Wittmer

Das Vogelrefugium im Wiesental ist in Gefahr. Ein schlechter Abfluss führt zur Verschlammung des Baggersees.

Pleidelsheim - Nicht immer ist es ratsam, Naturschutzgebiete völlig unangetastet zu lassen. So auch beim Pleidelsheimer Baggersee im Wiesental. Seit rund 50 Jahren steht der einst durch Kiesabbau entstandene See unter Naturschutz. Von Menschenhand geformt, muss jetzt Hand angelegt werden, um das Gewässer biologisch wieder auf Vordermann zu bringen. Zunehmend wird der Bewuchs mit Wasserlinsen und Sauerstoffmangel im Sommer ein Problem. Es wurden schon tote Fische gesichtet. Die Feuerwehr musste vergangenes wie dieses Jahr ausrücken und den See durch Umpumpen des Wassers belüften, um das Gewässer vor dem Umkippen zu bewahren. Wie so oft gehen die Meinungen auseinander, wie der See zu retten ist.

Aktionen zur Bekämpfung der Wasserlinse durch ehrenamtliche Helfer wurden beispielsweise gestoppt. Die Öffnung des regelmäßig verstopften Ablaufs hatte zur Folge, dass die Wasserlinse in den ebenfalls geschützten Altneckar gelangte, was nach Auskunft des für den Naturschutz zuständigen Regierungspräsidiums (RP) nicht erwünscht ist.

Für die schlechte Sauerstoffversorgung ist die Wasserlinse nicht die einzige Ursache. In ersten Untersuchungen hat man festgestellt, dass die Schlammschicht durchschnittlich eineinhalb Meter dick ist. Das nährstoffreiche Neckarwasser und Dünger aus der Umgebung haben das Pflanzenwachstum im See gefördert. Die absterbenden Pflanzen sinken auf den Seegrund und verrotten dort. Durch den Fäulnisprozess kommt es zur gefürchteten Sauerstoffzehrung. Auch Überschwemmungen tragen zur Schlammablagerung im See bei. Für Fische und Insektenlarven bleibt nur noch wenig Wasser übrig, das sich im Sommer umso schneller erwärmt.

Nun kann man nicht einfach mit dem Bagger anrücken und den Schlamm abgraben. Der Lebensraum für stark gefährdete Vogelarten wie Haubentaucher und Nachtreiher muss behutsam wieder auf Vordermann gebracht werden. In dem Schutzgebiet wurden von Ornithologen wie Professor Claus König, der sich von Anbeginn für das Schutzgebiet stark gemacht hat, 180 Vogelarten, davon 60 Brutvögel beobachtet. Es sind auch über 200 Pflanzenarten bekannt. Unklar ist, ob der Schlamm mit Giftstoffen belastet ist. Dann würde die Entsorgung als Sondermüll teuer.

Ein ähnliches Problem zeichnete sich in Benningen ab. Hier wollte die Gemeinde als naturschutzrechtlichen Ausgleich eine Aue am Neckar anlegen. Geologische Erkundungen hatten aber ergeben, dass der Schlamm mit Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) kontaminiert ist (wir berichteten). Die Entsorgung der Ablagerungen aus Industrieschlämmen, Teer und Öl hätte den Kostenrahmen für die Ausgleichsmaßnahme gesprengt. Eine teilweise oder vollständige Entschlammung könnte die Sauerstoffversorgung deutlich verbessern. Ein ökologisches Gutachten soll jetzt klären, wie frühestens nächstes Jahr die Sanierung angegangen werden kann. Für die Finanzierung hat das Regierungspräsidium einen Antrag bei der Stiftung Naturschutzfonds gestellt.

Auch wenn man sich im Detail uneins war, wird von Fischern, Naturschützern und der Gemeinde begrüßt, dass das Land jetzt etwas unternimmt, um das Vogelparadies zu retten. Conrad Fink, der als Mitarbeiter von NatureLife-International den See als Projekt betreut, kennt das Gebiet seit vielen Jahren. „Aus fachlicher Sicht begrüße ich die Absicht des Regierungspräsidiums, den See einer Grundsanierung zuzuführen und den Schlamm abschnittsweise auszubaggern“, so der Experte. „Jedes Stillgewässer hat die Tendenz zu verlanden und muss deshalb gepflegt werden, wenn es nicht zum Sumpf werden soll.“ Für dieses Schutzgebiet gelte wie für viele andere auch, dass die Erhaltung seiner Naturschutzqualität eines gewissen Managements bedürfe. „Es ist lobenswert, wenn das Land hierfür die nötigen Mittel bereit stellt“, sagt Conrad Fink.

Der Pleidelsheimer See ist Lebensraum streng geschützter Vogelarten und als Vogelschutzgebiet Teil des europäischen Naturschutznetzes NATURA 2000. Das Land Baden-Württemberg ist deshalb in der Verantwortung, für diese Arten störungsfreie oder zumindest störungsarme Fortpflanzungsstätten, Schlafplätze, Rast-, Mauser-, Überwinterungs- und Nahrungsgebiete sicherzustellen. Gerade bei Aktionen während der Brutzeit sind diese kritisch zu hinterfragen und es ist zu prüfen, ob dadurch streng geschützte Vogelarten nachhaltig gestört werden können.