Der 19-Jährige hat eine Fahrsperre von mindestens zwei Jahren erhalten. Foto: Archiv (dpa)

Ein Unfall mit einem 520-PS-Sportwagen auf der A81 hat mehrere Verletzte gefordert.

Pleidelsheim - Eine Woche Jugendarrest, 100 Stunden gemeinnützige Arbeit, zwei Jahre Sperre für die Fahrerlaubnis: Das ist das Ergebnis eines Strafprozesses gegen einen 19-jährigen Raser vor dem Ludwigsburger Jugendgericht. Der Pleidelsheimer hat sich einen 520 PS starken Sportwagen gemietet und damit auf der A 81 bei Ditzingen einen Unfall gebaut, bei dem nach Auffassung des Gerichts zehn Menschen hätten sterben können.

Das, was der 19-Jährige bei Eröffnung der Verhandlung erst einmal tun musste, war, Richter Ulf Hiestermann den Führerschein auszuhändigen. Das Dokument hatte der Mann gerade mal ein Jahr. Spaß an der Geschwindigkeit, Selbstüberschätzung, Imponiergehabe – das alles möchten Gründe gewesen sein, dass sich der Angeklagte am 17. März dieses Jahres in Nürtingen für mehr als die Hälfte seines Monatseinkommens einen Sportwagen gemietet hat. Auf dem Beifahrersitz saß sein Kumpel, der gerade den Führerschein macht.

Tempolimit 100 im Engelbergtunnel und drei Brücken mit 120er-Schildern: Das alles wollte der Sportwagen-Mieter nicht gesehen haben, als er gegen 15.05 Uhr mit geschätzten 180 bis 200 Sachen mit einer Fahrerin kollidierte, die Überholen wollte. Zum Bremsen hatte es nicht mehr gereicht.

Die Autofahrerin kam von der Fahrbahn ab und prallte mit ihrem Fahrzeug auf einen dritten Wagen. Kurz darauf gab es noch mal einen Schlag und der Sportwagen des Angeklagten prallte ebenfalls gegen dieses dritte Auto. Zwei Personen kamen mit leichten Verletzungen davon, eine Mitfahrerin allerdings brach sich einen Halswirbel und eine Beifahrerin nicht nur das: Sie erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. Dem Angeklagten und seinem Beifahrer aber passierte so gut wie nichts.

Was der Angeklagte zu der fahrlässigen Körperverletzung in vier Fällen anführte, betraf zunächst einmal die „Liebe“ zum Sportwagen, den er sich gemietet hätte. Er sei damit „eben ein bisschen schneller gefahren als erlaubt“. Laut Fahreignungsregister war es nicht das erste Mal. Der Richter fand vier Einträge, konkret eine Vorfahrtsverletzung und drei Geschwindigkeitsüberschreitungen. Kurz nachdem der 19-Jährige diesen schweren Unfall gebaut hatte, war er am 13. April mit 93 Sachen mitten durch Stuttgart gerast.

„Es herrschte reger Verkehr“, erklärten alle Zeugen des Unfalls auf der A81. Die Frau, welche Überholen wollte und nach Aussage eines der Zeugen schon fast auf der linken Spur war, ging nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft davon aus, dass alle hinter ihr die Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 einhalten. Als Zeugin sagte diese mit Verweis auf ihr Verweigerungsrecht nicht aus, weil sie sich selbst noch vor Gericht verantworten muss. Ihre schwer verletzte Beifahrerin machte ebenfalls keine Aussage. Wer erschien, waren jede Menge Leute, an denen der Angeklagte schon zuvor vorbei „geschossen“ war, wie sie sagten. Einer sprach von einem „röhrenden, aufheulenden Motorengeräusch wie von einem Ferrari“. Bei den Insassen dieses Fahrzeugs mit dem sowohl die Frau als auch der Angeklagtekollidierten, handelte es sich um ein Ehepaar mit 18 Monate altem Kind und dessen Onkel. Sie kamen vom Flughafen. „Plötzlich hat es einen Schlag getan, ich prallte mit dem Auto gegen eine Betonwand , schoss quer über die Autobahn und landete auf der Leitplanke“, sagte der Mann und Fahrer aus: „Dann gab es einen zweiten Schlag.“ Wir hatten Glück, berichtete er vom anschließenden Krankenhausaufenthalt. Das Kind kam mit einem Schock davon, und er konnte nach sechs Wochen Wirbelschmerzen wieder arbeiten. Seine Frau indes brach sich einen Halswirbel und leidet heute noch unter den Folgen. „Wäre es anders gekommen, würde ich vielleicht nicht mehr hier sitzen“, führte die junge Mutter aus, deren Sohn heute jedes Mal „Mama, aua, nein, nicht“ sage, wenn er einen Krankenagen sehe.

„An uns kam er noch vorbei, aber dann hat er ein rotes Auto erwischt und ein Dunkles auch“, berichtete ein Ehepaar, welches sofort einen Notruf absetzte. Ein weiteres Paar, welches ebenfalls hinter dem Sportwagen fuhr, dachte sich „jetzt kracht’s gleich“. Aus dieser Aussage schloss die Staatsanwältin, dass der schwere Unfall vorhersehbar war. Der Angeklagte hätte seine Fähigkeiten völlig überschätzt, sich rücksichtslos verhalten und sei sich der Gefährlichkeit seiner Handlung nicht bewusst gewesen, forderte sie drei Monate Jugendstrafe auf Bewährung und ein Jahr Sperre für die Fahrerlaubnis.

Der Richter entschied anders: Er steckt den 19-jährigen Raser eine Woche lang „zum Nachdenken“ in die Arrestzelle. Danach darf sich der junge Mann in 100Stunden gemeinnütziger Arbeit überlegen, wie er sich anderen Menschen gegenüber verhalten hat. „Drauf treten kann jeder“, warnte Ulf Hiestermann den Verurteilten davor, jemals wieder Fahrzeuge zur Triebbefriedigung zu nutzen.