Der Storch aus dem Wahlkampf in Großbottwar schaut Ulrich Raisch beim Klavierspiel zu. Foto: Sabine Rochlitz

Wir besuchen die Kandidaten für die Bürgermeisterwahl in ihrem Zuhause. Heute: Ulrich Raisch.

Oberstenfeld - Eines wird schon beim Betreten des Altbaus in Stuttgart-Heslach klar: Die Musik spielt eine große Rolle im Leben des Ulrich Raisch. Aus der geöffneten Tür der Zweizimmerwohnung des 54-Jährigen schallt Johannes Brahms „Die Mainacht“ durchs Treppenhaus. Im Zuhause des Bewerbers für den Chefsessel im Oberstenfelder Rathaus füllen – neben zahllosen Büchern – zwei Flügel einen Raum komplett, der andere muss zum Wohnen und Schlafen reichen.

Auch die Küche wird mehrfach genutzt. Dort lernt Raisch für zahlreiche Studiengänge. Er zählt die bereits erreichten Abschlüsse auf, präzise mit Datum und Universität: Ein Magister Artium in Pädagogik und Berufspädagogik, ein erstes Staatsexamen für Schulmusik an Gymnasien, Zwischenprüfungen in Betriebswirtschaftslehre und Soziologie. Derzeit bereite er sich auf Examen in Politik- und Erziehungswissenschaften vor. Ebenfalls auf der Fächerliste: Geschichte, Philosophie, Volkswirtschaftslehre. Ein Referendariat stehe nach wie vor zur Option, ebenso reize ihn die Leitung einer Musikschule. Zu seinem instrumentalen Repertoire gehören Klavier, Geige, Bratsche, Cello und Querflöte – Letztere erlernte er extra, um den Wehrdienst im Stabsmusikkorps abzuleisten.

Warum, fragt man sich und ihn, versucht ein Mensch mit so vielfältigen Interessen seit dem Jahr 2008 immer wieder, Bürgermeister zu werden – in Oberstenfeld schon zum 17. Mal? Für die Nummern 18 und 19 steht er parallel in Benningen und Korntal-Münchingen auf dem Stimmzettel – die Bezeichnung Dauerkandidat hört er dennoch nicht gerne. Das Amt vereine in gewisser Weise die Aufgaben eines Bundespräsidenten, Bundestagspräsidenten und Kanzlers in einer Person, direkt vom Volk gewählt für acht Jahre – „sowas gibt’s sonst nicht“, betont das CDU-Mitglied, das mehrfach gerne Kandidat seiner Partei für Landtags- oder Bundestagswahlen geworden wäre.

In Oberstenfeld rechnet sich Raisch erstmals Chancen aus. Schließlich trete kein Verwaltungsfachmann an. „Es muss endlich mal einen Schritt voran tun. Ich säe und säe. Irgendwann müssen meine Mühen Früchte tragen.“ Kein Zufall ist, dass es immer Orte im Landkreis Ludwigsburg sind. Dem „wunderschönen Landstrich“ fühle er sich verbunden seit einem Besuch bei einer Großbottwarer Bekannten.

Leisten kann sich der gebürtige Degerlocher, der in Fellbach aufwuchs und dort bis zu seinem 42. Lebensjahr wohnte, die vielen Wahlkämpfe „durch die Rückendeckung meiner Familie“ – der 80-jährigen Mutter, die ihn „kritisch begleite“ und dem 13 Monate jüngeren Bruder. Der Vater ist bereits vor längerer Zeit gestorben, schaffte als Kfz-Meister mehr als 40 Jahre beim Daimler. Eine kleine Erbschaft ermögliche ihm zumindest einen bescheidenen Lebensstil, sagt Ulrich Raisch.

Sparsam ist er: So unternimmt er seine Reisen durch die Region Stuttgart mit einem Studententicket des VVS, wie er schmunzelnd verrät. Sparsam muss er auch sein: Denn die Tätigkeit für seine „Internationale Akademie für Musikpädagogik“, die er 2007 gründete, sieht er eher als Freundschaftsdienst für seine drei älteren Kunden, von denen er bloß eine Aufwandsentschädigung bekomme. Den Unterricht bezeichnet er als „musizierendes Feiern“. Die Konzerte, die er in Kirchengemeinden gibt, „sind ebenfalls nicht riesig bezahlt“.

Bei diesen Auftritten ist ab und an auch eine seiner zwei Ex-Ehefrauen dabei, eine Geigerin. Guten Kontakt pflege er noch mit beiden. Kennengelernt habe man sich in Kirchengemeinden, berichtet der praktizierende Katholik. Mit seinen Partnerinnen habe ihn die Freude an der Musik und am Kochen verbunden und die Leidenschaft fürs Tanzen – mindestens einmal die Woche übt er sich in Standard und Latein. Als weitere Hobbys nennt er das Schwimmen und Wandern – nur fünf Minuten entfernt beginne ja der Heslacher Wald.

Warum drei Kandidaturen auf einmal? Und wie schafft man das? „Ich habe ja Routine“, sagt Raisch lächelnd, der sich mittels einer Fragenliste bei den Amtsinhabern informiert. Und mit über 50 müsse man eben sehen, was man noch Wesentliches leisten könne. Sein Credo: „Ich liebe die Menschen und möchte für sie sorgen. Dort, wo sie mich berufen, bin ich für sie da.“

„ Ich bin der richtige Bürgermeister für Oberstenfeld,weil ich . . .  aus vielen Gemeinden im Landkreis Best-Practice-Beispiele einbringe und in gutem Kontakt mit den Bürgermeistern von Beilstein und Großbottwar und im Dialog mit Gemeinderat, Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürgern Oberstenfeld, Gronau und Prevorst in eine gute Zukunft führen werde.“