Die Gegner der Zeltstadt wollen bildlich zeigen, dass das Flurstück für 100 Flüchtlinge nicht ausreicht. Foto: SDMG

Die Initiative „Pro Asyl – contra menschenunwürdige Unterbringung“ hat die Wiese für die geplante Zeltstadt bevölkert.

Oberstenfeld - Wer gestern Nachmittag zufällig vorbeikam, hätte die Versammlung für eine Art Massenpicknick halten können. Ausgebreitete Tücher, friedlich lagernde Menschen – dazu kam noch die Sonne hervor. Doch den Teilnehmern an der Aktion auf dem Grundstück im Oberstenfelder Gewerbegebiet Lichtenberger Straße war nicht nach entspanntem Mahl zu Mute. Sie zeigten Flagge, weil sie nicht wollen, dass das Landratsamt Ludwigsburg auf dem Grundstück eine Zeltstadt für etwa 100  Flüchtlinge errichtet (wir berichteten) .

Organisiert hatte die Aktion die Initiative „Pro Asyl – contra menschenunwürdige Unterbringung“, die sich am Dienstagabend aus 55 Teilnehmern einer Versammlung im Bürgerhaus gebildet hatte. „Wir sind nicht gegen etwas, sondern dafür, eine menschenwürdige Unterkunft zu schaffen“, formuliert der Sprecher Manfred Schäfer das Anliegen, als er von der Plattform eines Transporters die Gäste begrüßt. „Die Verhältnisse sollen besser sein, als das, was man hier realisieren kann.“

Hauptsächlich Anwohner und ihnen nahestehende Personen waren gekommen. Als einziger anwesender Gemeinderat verfolgte der stellvertretende Bürgermeister Michael Meder die Aktion. Bald schon ist die Wiese übersät mit einer Anzahl von Menschen, wie sie in etwa in der Zeltstadt leben würden. Aus Sicht der Initiative, die angibt, nicht deckungsgleich die Ziele der gleichnamigen bundesweiten Organisation Pro Asyl zu verfolgen, ein Unding. „Die Menschen müssen sich zwischendurch irgendwo aufhalten – das geht nur auf der Straße, aber das ist die einzige Zufahrtsstraße und hier ist ständig Verkehr“, sagt Andrea Schäfer, eine der sechs Sprecher.

Erhebliche Zweifel äußern die Gegner der geplanten Zeltstadt auch an der Sicherheit im Umfeld des Grundstücks. Es gebe Chemikalien und brennbare Materialien. „Nur 2,5  Meter entfernt ist ein Malerbetrieb – wenn da jemand eine Zigarette rüberwirft, brennt es gleich“, sagt Vera Weiberle von der gleichnamigen Firma nebenan. In einer solch dicht gedrängten Zeltstadt fehle es an geeigneten Fluchtwegen, argumentiert Francis Schmiedt von der Firma Lettfuß und ebenfalls Mitglied in dem sechsköpfigen Leitungsgremium von „Pro Asyl – contra menschenunwürdige Unterbringung“. Auch der nur ein Meter tiefe Grundwasserspiegel, der die Wiese leicht in Feuchtigkeit bringe, lässt laut Pro Asyl den Standort ungeeignet erscheinen. „Alle Betriebe hier am Hasenbach mussten eine unterirdische Schutzhülle bauen“, berichtet Manfred Schäfer. Er versichert: „Nicht jedes unserer Argumente allein wäre ein Grund, den Standort abzulehnen – aber ihre Summe schon.“

Die Atmosphäre während des Gesprächs mit der Presse ist weitgehend sachlich. Martin Rupflin, ehemaliger CDU-Gemeinderat und ebenfalls unter den sechs Sprechern, ärgert vor allem die Informationspolitik des Landratsamtes. „Leben wir in einer Demokratie oder in einer Diktatur?“, fragt er. Der Vertrag mit dem Grundstücksbesitzer sei unterzeichnet worden ohne Rücksprache mit Anwohnern und der Kommunalverwaltung.

Sorgen macht sich die Initiative auch über die Betreuung der Asylbewerber. Sie befürchten, dass 100 Männer angesiedelt werden. „In eine solche Situation geht kein Ehrenamtlicher rein – da braucht man kleinere Einheiten“, sagt Schäfer, der befürchtet, dass die Zeltstadt-Bewohner ohne eine intensive Betreuung durch Sozialarbeiter auf dumme Gedanken kommen könnten.

Ob nur Männer kommen, lasse sich noch nicht genau sagen. „Zelte mit wenig Privatsphäre eigenen sich aber oft nicht für eine gemischte Unterbringung“, teilte das Landratsamt am Donnerstag mit. Über 70  Prozent der Flüchtlinge seien Männer. „Es ist also möglich, dass nur Männer dort untergebracht werden. Das haben wir auch in anderen Unterkünften, zum Beispiel in der Halle in Asperg, ohne dass dies grundsätzliche Probleme bereitet.“

Was aber wäre die Alternative zu dem Grundstück? Schließlich musste das Landratsamt schnell handeln, damit die dem Landkreis zugewiesenen Flüchtlinge überhaupt ein Dach über den Kopf bekommen (wir berichteten). Aus den Reihen der Initiative liege ein Angebot für einen alternativen Standort vor, berichten Francies Schmiedt und Manfred Schäfer. Doch wolle man dies nicht mit dem Landratsamt, sondern zuerst mit der Gemeinde Oberstenfeld abklären. Zumal das Landratsamt zwischen Privatangeboten und gemeindlichen Offerten unterscheide. Die Gemeinde habe schon 65 Personen aufgenommen und leiste viel – andere Kommunen im Landkreis hätten bisher nur ganz wenige Asylbewerber untergebracht, weiß Rupflin.

Nicht vor Ort, aber am Tag zuvor im Gespräch mit Pro Asyl war der Oberstenfelder Bürgermeister Markus Kleemann. „Ich finde den Standort auch nicht ideal, es gibt dort unter anderem zu viel Verkehr.“ Er sei bereit, dies auch dem Landratsamt zu kommunizieren. Er selbst habe die Nachricht über die geplante Zeltstadt baldmöglichst nach dem Vertragsschluss kommuniziert.

Das Landratsamt hat in einer Stellungnahme am Donnerstag die Vorwürfe in puncto Sicherheit zurückgewiesen. „Der angrenzende Holzbaubetrieb wird mit einem Zaun abgegrenzt und stellt aus unserer Sicht kein Problem dar.“ In einiger Entfernung (150 bis 200 Meter) entwickele ein kleinerer Betrieb Sicherheitsprodukte wie etwa Reizsprühstoffe und Geräte im Bereich Training und Simulatoren. Auch befänden sich in der Nähe Wohnungen.

Dem Landratsamt sei das Grundstück erst am 10. August angeboten worden. „Vorher wussten wir selbst nichts davon.“ Danach haben man die Gemeinde und am 12.  August in Abstimmung mit der Gemeinde die Anwohner informiert. „Alternative Möglichkeiten, die Flüchtlinge unterzubringen, haben wir nicht.“