Werne Lämmle führt in die Architektur der Stiftskirche ein. Foto: avanti

Das Oberstenfelder Stift feiert sein 1000-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass hat Werner Lämmle seine Gäste in die Stiftskirche geführt.

Oberstenfeld - Brüche gehören zum Leben. Und Brüche im Baustil oder auch in der Geschichte des Stifts zeigen, so Werner Lämmle, „dass die Kirche der Spiegel des Lebens ist“. Manchmal komme es einem vor, als sei die Fehlerhaftigkeit mit Absicht eingebaut worden. Lämmle ist pensionierter Lehrer und bietet nun schon seit zwölf Jahren Führungen für interessierte Bürger in der Stiftskirche an. „Für Oberstenfeld ist das Stift sozusagen die Keimzelle gewesen, nach und nach wurden weitere Gebäude in der Nachbarschaft erbaut.“

An diesem heißen Sonntagnachmittag sind rund 30 Personen aus der Region gekommen, um sich zu informieren. Auch der Bürgermeister Markus Kleemann und Fabian Gramling, CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Bietigheim-Bissingen, hören aufmerksam den Ausführungen zu. „Das Stift ist eine wirklich beeindruckende Kirche“, sagt Gramling nach der fachkundigen Führung. Und Bürgermeister Kleemann lobt das Engagement von Lämmle: „Diese Veranstaltungen sind eine echte Bereicherung.“

Noch bis Oktober finden im Jubiläumsjahr monatlich zwei Führungen in der Kirche statt – immer jeweils am zweiten Dienstag und am letzten Samstag eines Monats. Im Jahr 1016 hatte der vermögende Adel das Stift gegründet. Hier wusste man die unverheirateten Töchter gut versorgt, und gleichzeitig war auch das Heil der Stifter und ihrer Familien durch Gebete und Seelenmessen gesichert.

Die Stiftsdamen waren keine Nonnen, sondern adelige Damen, die auch kein Gelübde ablegen und ebenso wenig auf ihre irdischen Güter verzichten mussten.

Werner Lämmle bringt dem Publikum alles Wissenswerte rund um Geschichte und Baustil des Stifts nahe, er erzählt aber auch von einigen überlieferten Geschichten über das Leben im Stift: „Im Jahr 1478 hat sich die Äbtissin von Hohenzollern dagegen gewehrt, zwei bürgerliche renitente Frauen aufzunehmen“, berichtet Lämmle, „letztendlich musste das Stift die Frauen dann doch aufnehmen, aber dafür hat es sich einige Vergünstigungen zusichern lassen.“ Und im Jahre 1709 wurden gar drei junge Stiftsdamen des Stifts verwiesen, weil sie sich ungebührlich benommen hätten, es sei außerdem zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Als jedoch eine neue Äbtissin eingesetzt wurde, kehrte Ruhe ein.

Und ganz zum Schluss, unten in der Krypta, dem ältesten Teil der Kirche, erzählt Lämmle noch die Sage von der weißen Dame, von der es zwei Versionen gibt: „Die eine geht so, dass sich eine Äbtissin mit einem Raubritter eingelassen hat und das Kind aus dieser Beziehung getötet und an der Stiftsmauer begraben hat.“

Die zweite Variante der Geschichte sagt, dass eine böse Äbtissin forderte, dass sie mit silbernem Geschirr zu beerdigen sei. „Als sie gestorben war, gab es jedoch nur rostiges Geschirr als Beigabe für das Grab, so muss sie nun für alle Tage hier als weiße Dame umgehen und findet keine Ruhe.“ Werner Lämmle gelang es, die Faszination für die Historie einmal mehr zu wecken.