Auch handfest haben die Kinder im Sportheim geübt, sich zu wehren. Foto: avanti

Ein Gewaltpräventionskurs des SKV will Erstklässler immun machen gegen Verlockungen böswilliger Erwachsener.

Oberstenfeld - Ein Junge kommt an einem stehenden Auto vorbei und lässt sich vom Fahrer in ein Gespräch verwickeln. Der streckt eine Karte zum Fenster heraus, fragt freundlich nach dem Weg. Auch auf einen Mann hinter einer Hecke, der ihm etwas zeigen will, und eine Frau, die ein Stückchen weiter mit dem Fahrrad wartet, lässt er sich verunsichert ein.

Die Übungsszene spielte am Samstagvormittag vor dem Sportheim in den Bäderwiesen. Eltern und SKV-Helfer teilten sich die Rollen der erwachsenen Verführer. Trainer Thomas Gärtner und Kriminalhauptkommissar Ralf Single standen kritisch dabei. Sie erinnerten den Jungen an das, was er drinnen in der Halle eigentlich schon gelernt hat.

Der nächste Junge, der herauskommt, macht es besser. Nach einem nur kurzen Wortwechsel mit dem Fremden distanziert er sich sprachlich und gestisch, sagt deutlich „Nein“ und geht weiter. Im Kreis in der Halle das gleiche Bild: Noch nicht alle 16 Mädchen und Jungen schaffen es auf Anhieb, sich der Aufdringlichkeit eines andern effektiv zu entziehen. In den kommenden zwei von insgesamt fünf Samstagvormittagen wird das weiter trainiert.

Es waren Mütter, die Judotrainer Thomas Gärtner nach einem Verteidigungskurs für Erstklässler fragten. Er erarbeitete daraufhin ein Konzept. Darin war auch ein Besuch von Experte Ralf Single vorgesehen, denn: „Wir wollen es richtig machen.“ Das sagt Dieter Kronstorfer von der SKV-Aikido-Abteilung. Er unterstützt Thomas Gärtner zusammen mit Kollegin Carina Kreutzwiesner.

Im Flur klärt Kommissar Single zunächst die Eltern auf. Er ist stellvertretender Leiter des Referats Prävention beim Polizeipräsidium Ludwigsburg. Dieses umfasst seit der Reform die Landkreise Ludwigsburg und Böblingen. In letzterem gibt es seit zehn Jahren flächendeckende Trainings an Grundschulen, ausgelöst durch den Mordfall Tobias. Allerdings wird mit Viertklässlern geübt. Ralf Single stellt die Frage in den Raum, ob bei jüngeren Kindern schon genügend Verständnis vorhanden sei.

Aber auch für etwas ältere gilt laut Single, dass sie sich nicht aufgrund von Kampfsporteinheiten für Karate Kid halten und in falscher Sicherheit wiegen dürfen. An Ort und Stelle demonstrierte er mit einem der Jungs, dass ein Kind rein körperlich in der Regel wenig gegen einen 80-Kilo-Mann ausrichten kann. Deshalb komme es darauf an, Distanz zu Fremden zu wahren, erst gar nicht auf sie einzugehen beziehungsweise schnell aus Gesprächssituationen herauszukommen. Eltern dürften selbst nicht die Regel durchbrechen, indem sie etwa bei Regenwetter einfach Schüler im Auto mitnehmen. Sie sollten sich an klare Absprachen darüber halten, wer wann welche Kinder transportiert.

Single weiß um den „schwierigen Spagat“ zwischen Präventionstrainings und Panik schüren. Schließlich sei nicht jeder Kontakt gefährlich, und die Gefahr, dass ein Kind bei einem Verkehrsunfall ums Leben komme, sei statistisch viel höher als ein Gewaltverbrechen. Durch die tägliche Erziehungsarbeit zu Hause, so der Kommissar, sollen Kinder Selbstbewusstsein erlangen. Von Natur aus mit einer respektvollen Haltung gegenüber Erwachsenen ausgestattet, soll ihnen klargemacht werden, dass sie nicht mit jedem reden müssen. Über auffällige Beobachtungen oder Ängste sollen sie mit Eltern oder Lehrern sprechen.