Die Firma ist im Gewerbegebiet Lichtenberger Straße. Foto: Oliver von Schaewen

Der Pfefferspray-Hersteller Hoernecke aus Oberstenfeld verzeichnet Umsatzzuwächse.

Oberstenfeld - Von seinem Firmengelände kann Thomas Hoernecke auf die Container schauen, in denen Flüchtlinge untergebracht sind. Der Geschäftsführer des Betriebs in den Oberstenfelder Schafwiesen hat nichts gegen die Menschen dort. Im Gegenteil. „Wir haben sie kürzlich zum Fußballschauen eingeladen, und wir haben viel Spaß miteinander gehabt“, erzählt der Unternehmer, der sich in einem christlich gesinnten Kreis engagiert. Trotz dieser eigenen positiven Erfahrungen weiß Hoernecke: Ohne die Angst vor Flüchtlingen würde das Geschäft mit den Schutzsprays zwar ähnlich gut laufen wie in den Jahren zuvor – aber in manchen Zeiträumen, wie etwa nach der Silvesternacht in Köln, seien durchaus sprunghafte Anstiege zu beobachten. „Der Umsatz stieg in manchem Monat bis ins Doppelte.“

Der Geschäftsführer Thomas Hoernecke und seine Tochter Liesa arbeiten zusammen. Foto: Oliver von Schaewen
Der Unternehmer will keine Vorurteile schüren. „Diese Angst vor jeglichem Fremden hat ja immer etwas Reflexhaftes – mir ist wichtig, dass meine Produkte nicht als Mittel gegen Menschen, sondern als Schutz für Menschen gesehen werden: Auch ein Nordafrikaner oder ein Chinese kann plötzlich in die Lage geraten, sich schützen zu müssen.“ Es gehe darum, Angriffen, auch durch deutsche Gewalttätige, nicht einfach ausgeliefert zu sein.

Das Thema Pfefferspray ist außerdem wegen des juristischen Nachspiels ein heißes Eisen. Hoernecke hat schon einige Erfahrungen mit pauschal geäußerter Kritik gesammelt. So brach ein Shitstorm über seine Firma herein, als die Grünen-Politikerin Claudia Roth an einer Demonstration in der Türkei teilnahm und in eine Reizgas-Attacke der Sicherheitskräfte geriet. „Dabei stellen wir das dort verwendete Gas gar nicht her“, betont Hoernecke, der wiederum selbst stolz darauf ist, die deutsche Polizei weitgehend mit seinen Produkten auszurüsten. „Zu 90  Prozent werden unsere Behörden durch uns ausgestattet“, erklärt er. Und weist auf die hohe Qualität seiner Schutzsprays hin – mit Stoffen, die das Risiko von langfristigen Verletzungen stark minimieren. „Wir warnen immer vor den Billiganbietern“, sagt er und erzählt von einem besonders drastischen Dumpingbeispiel im derzeit tobenden Preiskampf. „Wir haben in unserem Labor ein Produkt aus Ungarn getestet: Da war Ammoniak drin.“ Ähnlich risikoreich seien Sprays aus den USA: „Da waren Stoffe enthalten, die in Europa gar nicht erlaubt sind.“

Sich im Notfall verteidigen zu können, dieses Grundrecht eines jeden Menschen, sieht der Geschäftsführer immer wieder ausgehöhlt, wenn Reizgassprays kritisiert werden. „Ich habe von Menschen gehört, die in der Öffentlichkeit immer weiter angepöbelt wurden, obwohl sie ängstlich zurückwichen – denen hat da niemand geholfen.“ Hoernecke selbst hat für solche Situationen ein Abwehrspray dabei, er hält den Einsatz bei Gefahr für gerechtfertigt. Es gehe auch um Nothilfe. „Pfefferspray ist vom Gesetzgeber extra für Menschen freigegeben worden, die schwach sind und berufsbedingt spät unterwegs sein müssen, wie etwa junge Krankenschwestern, die nach der Spätschicht mit dem Bus nach Hause fahren müssen.“

Oder Briefträger. Hoernecke zeigt auf eines der ersten Reizgas-Sprays, die seine Eltern entwickelten. Es war in den 1950er-Jahren, als die Hoerneckes, einst wohlhabende Besitzer eines Magdeburger Pharmazie-Werkes für medizinische Badezusätze und von der DDR enteignet, wieder bei Null in Oberstenfeld anfingen. Sie forschten mit Aerosolen, also fein verteilten Flüssigkeitstropfen in der Luft. Dabei kamen sie auf die Idee, mit einer Sprühdose eine softere Form anstelle der bis dahin üblichen Schreckschusspistolen mit Tränengas-Patronen zu entwickeln. Das gelang ihnen mithilfe von Reizgasen, welche die Wirkstoffe CN und CS enthielten. Hoernecke war damit der erste Hersteller von Reizgasen aus der Spraydose. „Im Waffengesetz wurde daraufhin viel geregelt“, erzählt Thomas Hoernecke, „etwa auch dass zielgenaues Sprühen nur bis zu einer Entfernung von zwei Metern erlaubt ist“. Jedes Produkt brauchte eine Prüfnummer des Bundeskriminalamtes (BKA). Weil man auch junge Leute schützen wollte, waren sie ab 14 Jahren freigegeben. Man braucht bis heute keinen kleinen Waffenschein (siehe Info-Kasten).

Die Geburtsstunde des Pfeffersprays schlug Anfang der 1980er Jahre. Es war ein Auftrag des Posttechnischen Zentralamts in Darmstadt. Es wollte Briefträger besser vor Hundebissen schützen. „Man sah: Hunde zogen sich zurück, wenn man sie mit Pfeffergas ansprühte“, erzählt Hoernecke. „Diese Versuche wären heute sicher verboten.“ Trotzdem könne es auch heute noch vorkommen, dass selbst als gutmütig geltende Vierbeiner einem Postboten zusetzten. Das Hoernecke-Produkt Contra-Dog helfe auch heute noch, „die Post kauft es“.