Foto: Michael Raubold Photographie

Das „Suppentöpfle“ im Gemeindehaus bringt seit 18 Jahren ältere Menschen zusammen.

Oberstenfeld - Der Duft von Sauerbraten zieht durchs Haus. Und im Dampf der Küche stehen sechs Frauen mit roten Backen und schnippeln, kochen und braten, was das Zeug hält. Trotz allem haben sie immer noch Zeit, zwischendrin zu scherzen und zu lachen. Man merkt: Hier ist ein eingespieltes, hervorragend organisiertes Team am Werk. Kein Wunder, denn das „Suppentöpfle“ im Oberstenfelder Gemeindehaus findet bereits zum 200. Mal statt. Das heißt nicht nur, 200 Mal für durchschnittlich 65 Personen frisch gekocht, sondern ebenso oft auch eingekauft, Geschirr gespült und die Küche aufgeräumt.

Die Idee zum Suppentöpfle hatte vor 18 Jahren Tabea Preuss. Als Gemeindeschwester kam sie viel herum und hat dabei festgestellt: „Die älteren Leute essen oft nichts Vernünftiges. Entweder können sie nicht mehr kochen, oder sie sagen, für sie alleine lohne es sich nicht.“ Und schon reifte in der tatkräftigen Frau die Idee eines gemeinsamen Mittagstischs, der einmal im Monat stattfinden sollte. Beim damaligen Pfarrer Graf lief sie offene Türen ein, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie sich selber um Ehrenamtliche und Organisation kümmern würde. Im Herbst startete dann das Suppentöpfle. Nur ein einziges Mal ist es seither ausgefallen, erinnert sich Tabea Preuss: „Das war, als das Gemeindehaus renoviert worden ist.“

Außer ihr sind drei weitere Frauen aus der Anfangszeit immer noch dabei: Marita Doll, Adelheid Massa und Erika Maynhardt. Letztere ist inzwischen 82 Jahre alt, wuselt aber immer noch wie eine Junge von Tisch zu Tisch und serviert Essen und Getränke, immer mit einem freundlichen Wort und einem Lächeln auf den Lippen. Und meist muss sie nicht einmal fragen, wer was zu trinken möchte. „Das kann ich mir merken“, schmunzelt sie.

Aber auch allen anderen Suppentöpfle-Frauen – inzwischen sind noch Elvira Buresch, Eveline Demmig-Dreger, Hiltrud Lebherz, Gertraude Peichl und Else Weiß dazugekommen – merkt man an, dass sie mit viel Liebe bei der Sache sind. Warm und herzlich werden die meist älteren Gäste begrüßt, wer nicht mehr so beweglich ist, dem wird aus Mantel oder Jacke geholfen, und Zeit für ein kleines Schwätzchen ist auch noch. Und das, obwohl einige schon deutlich vor der offiziellen Essenszeit kommen, wenn in der Küche noch Hochbetrieb herrscht. Punkt zwölf Uhr müsse das Essen auf dem Tisch stehen, weiß Tabea Preuss. „Aber manche genießen es, sich vorher schon hinzusetzen und alles in Ruhe zu beobachten.“

Und da gibt es in der Tat viel zu sehen. Hiltrud Lebherz hat die Tische im Martin-Luther-Saal wie jedes Mal wunderschön dekoriert. Rot gefärbte Blätter von wildem Wein zieren die Tische, dazwischen leuchten Teelichter in roten, orangefarbenen und gelben Papphäuschen, Papierdrachen und kleine Lampions runden das schöne Bild ab. Zum Jubiläum gibt es noch einen Clou: Vor jedem Platz liegt die Zahl 200. 70 Zweien und 140 Nullen hat Hiltrud Lebherz dazu aus Mürbteig geformt und gebacken. Wann sie das alles gemacht hat, weiß sie selber nicht: „Immer mal wieder“, lacht sie und freut sich, wie begeistert die Gäste sind. Manche bleiben erst einmal stehen und lassen alles auf sich wirken, bevor sie sich einen Platz suchen. „Ihr hend’s emmer schee!“, lobt eine ältere Dame.

Reservierte Plätze gebe es nicht, betont Tabea Preuss. Trotzdem finden sich immer mal wieder dieselben Gruppen zusammen, die sich auf das gemeinsame Essen an jedem zweiten Dienstag im Monat freuen, sagt Annemarie Bücker, die gemeinsam mit ihrem Mann Bernd gekommen ist und zum Jubiläum jeder der Ehrenamtlichen als kleines Dankeschön eine Rose überreicht. Bernd Bücker hat früher die Gäste, die nicht so gut zu Fuß waren, zum Suppentöpfle und wieder nach Hause gefahren, heute macht das ein „Bufdi“, der dazu auch nach Großbottwar und Beilstein fährt.

Sauerbraten, handgemachte Semmelknödel, Salat und als Nachtisch Himbeeren mit kleingebröselten „Schäumle“ unter einer Haube aus Sahne und Joghurt gibt es zum Jubiläumsessen. Den Braten hat Tabea Preuss bereits am Vortag vorbereitet, und während die Knödel noch in einem Riesentopf garziehen, bereiten vier Frauen im Nebenraum schon den Salat zu. Eine verteilt den von Marita Doll ganz fein geschnittenen Blatt- und Endiviensalat auf den Tellern, die nächste legt Paprika dazu, die dritte Karotten, und die vierte verteilt eine Mischung aus Sonnenblumen- und Pinienkernen sowie Leinsamen darüber. Wie am Fließband geht das und ist doch liebevoll von Hand gemacht. „Jetzt könnte es so langsam aufhören“, meint eine der Fleißigen, als die Salatteller kein Ende nehmen wollen. Auch in der Küche wissen die anderen, dass nach dem Kochen noch jede Menge Arbeit auf sie wartet. „Nicht unnötig Geschirr produzieren, das müssen wir alles wieder spülen!“, mahnt Elvira Buresch und scherzt: „Für die großen Töpfe braucht man fast eine Leiter.“

In einem dicken Heft hat Adelheid Massa vom ersten Suppentöpfle an vermerkt, was wann gekocht wurde und was es gekostet hat. Doch noch mehr ist in dem Heft zu finden: Eine Einladung eines örtlichen Gastronomen „zum Essen und Trinken nach Lust und Laune für unsere fleißigen Damen vom Suppentöpfle“ und eine handgeschriebene Entschuldigung eines Gastes: „Da ich zur Zeit so unter Fernweh leide, kann ich zum Suppentöpfle leider nicht kommen. Ich hoffe aber, dass Sie trotzdem etwas Gutes kochen. Die anderen sollen auch ihre Freude haben.“

Diese Wertschätzung ist es, die die Frauen vom Suppentöpfle so lange weitermachen lässt, wie sie noch können.