Foto: Michael Raubold Photographie

Die NABU-Gruppe Oberstenfeld hat zur alljährlichen Nistkastenreinigung in den Wald geladen.

Na, habt ihr den ersten Kasten schon entdeckt?“, mit dieser Frage von Joachim Vogel, dem ersten Vorsitzenden der NABU-Gruppe Oberstenfeld, startet an diesem sonnigen, aber eiskalten und windigen Samstagmittag die jährliche Nistkastenreinigungs-Aktion nahe der Oberstenfelder Krugeiche. Sofort richten sich die Blicke der Anwesenden weg vom immer noch leicht schneebedeckten und stellenweise glatten Waldweg hin zu den kahlen Bäumen rechts und links des Wegs. Erst aber als Joachim Vogel zusammen mit seiner Tochter Hanna den Weg verlässt und mit einem großen Schritt die zugefrorenen Pfützen am Wegrand überquert, um sich mit der Leiter unter dem Arm durch Brombeerranken bis hin zu der alten Buche zu kämpfen, ertönt ein lautes: „Da!“ Die kleinsten Teilnehmer des Tages erweisen sich als die mit den besten Augen und beobachten gespannt, wie der Naturschützer mit dem knapp 30 Zentimeter großen Nistkasten aus Holzbeton zurückkommt.

Erst wehrt sich die Tür von Kasten Nummer eins ein klein wenig. Zwei, drei gezielte, aber dennoch recht sanfte Hammerschläge später offenbart sich den gespannten Zuschauern aber, was sich in der Nisthöhle befindet: „Siebenschläfer auf Meise“, lautet das fachkundige Urteil des Experten. Hinweis auf die verschiedenen tierischen Bewohner, die die Nisthöhle im Laufe des vergangenen Jahres nutzten, geben die verschiedenen Schichten von Naturmaterialien und Hinterlassenschaften, die sich im Kasten befinden. Ganz unten Moos, das für gewöhnlich die Meise zum Nestbau nutzt, darüber Blätter und Kotstücke, die auf den Siebenschläfer als Nachtgast hinweisen.

Bevor der Kasten mit einem Kratzer gründlich gereinigt und wieder an seinen Platz zurückgehängt wird, protokolliert Sonja Vogel, die Ehefrau des ersten Vorstands, alles ganz genau. Und dann geht es schon weiter zum nächsten Kasten, der rund 25 Meter entfernt ebenfalls in rund dreieinhalb Metern Höhe an einer Buche hängt: „Die Einfluglöcher der Nistkästen sind alle Richtung Nordosten ausgerichtet“, erklärt Joachim Vogel und fügt an: „Richtung Süden wäre es im Sommer zu heiß und Richtung Westen würde es zu sehr hineinregnen, was beides eine größere Zahl an Totvögeln bedeuten würde.“

Dass mit Kasten Nummer zwei etwas nicht stimmt, erkennt der 50-Jährige bereits vor dem Öffnen: „Die kleinen Federn, der leichte Federflaum außen am Flugloch des Kastens sind ein Zeichen dafür, dass hier etwas verkehrt ist – eventuell hat sich hier der Marder sein Abendbrot geholt.“ Und tatsächlich: In diesem Zuhause ist wohl eine Brut entstanden, die sich der Nesträuber mit einem gezielten Pfotengriff aus dem Kasten gefischt hat. Und das ist auch mit der Grund dafür, dass der NABU einmal im Jahr den „Frühjahrsputz“ durchführt. „Der Marder klettert den Stamm hinauf und setzt sich oben auf das Vogelhaus. Wenn der Nistkasten nicht gereinigt wird und sich zu viel Nistmaterial darin ansammelt, liegen die jungen Vögel für ihn gut erreichbar und völlig ungeschützt oben direkt am Einflugloch“, so Joachim Vogel.

Mehr als 250 Nistkästen hat der NABU Oberstenfeld auf seiner Gemarkung aufgehängt und reinigt diese einmal jährlich vor der Balz, die im März und April beginnt. „Man hört hier heute aber kein einziges Vögelchen zwitschern. Das heißt, wir sind noch rechtzeitig dran, um keinen Vogel zu stören“, so der Experte. Auf die Frage, warum Meise, Baumläufer, Kleiber und Co. überhaupt auf die Nistkästen angewiesen sind, entgegnet er: „Der Grund dafür ist, dass sie alle kein Nest bauen, sondern sich in Baumritzen- und spalten oder eben in Baumhöhlen einen Nistplatz suchen. Bei uns hier ist der Wald aber so durchgeforstet, quasi so sauber, dass es nur sehr wenige alte Bäume mit entsprechenden Höhlen gibt, und damit eben auch zu wenige Möglichkeiten zur Brut.“ „Wenn es aber der Meise gutgeht, geht es auch den anderen Singvögeln gut“, berichtet Sonja Vogel. Und heuer sind die Naturschützer trotz außergewöhnlich vieler Marderschäden recht zufrieden mit dem Belegungserfolg.

Wie es der Meise ohne die Nisthilfen ginge, lässt sich nur erahnen. Dass die Meise an sich aber ein pfiffiges Vögelchen ist, zeigen die Dinge, die sich teils in den weiteren 25 Kästen befinden, die in der zweieinhalbstündigen Aktion gereinigt werden. Sowohl rote Kunstfasern, als auch Wildschweinborsten finden die Naturschützer in den künstlichen Baumhöhlen. Aber auch jede Menge Federspelzen und Eierschalen, die belegen, dass die Tiere flügge wurden und die Brut durchkam. „Fehlen Spelzen und Eierschalen, dann wurde der Kasten nicht bebrühtet, sondern vielleicht nur von Zwischengästen wie Mäusen oder Siebenschläfern bewohnt.“ Kasten Nummer sechs, der auf den ersten Blick leer erscheint, offenbart beim genaueren Hinsehen sogar Hornissenflügel- und waben, also die Überbleibsel eines Hornissennests.

Zurück an der Krugeiche zeigt sich auch die zweite zehnköpfige NABU-Gruppe um Werner Unselt und Herms Pfizenmayer, die zeitgleich rund 25 Kästen im Bereich Eichhälde gereinigt hat, zufrieden. „Nur ein wenig schade, dass nicht mehr Familien mit Kindern unserer Einladung gefolgt sind“, so Werner Unselt.