Die Werzalit-Arbeiter sehen sich vom Insolvenzverwalter im Stich gelassen – ihre Hoffnungen ruhen erneut auf dem Richterspruch des Arbeitsgerichts . Foto: Oliver von Schaewen

Das Rechtsverfahren zwischen den Arbeitern und dem Insolvenzverwalter verläuft schleppend.

Oberstenfeld - Der graue Novembertag lässt es nicht wirklich hell werden vor dem Arbeitsgericht an der Schwieberdinger Straße in Ludwigsburg. Es regnet, gleich wird die Gruppe mit etwa 20 gekündigten Werzalit-Arbeitern zum Gütetermin gehen. „Eine gütliche Einigung wird es nicht geben“, bedauert Erdal Ayar, der als Betriebsratsvorsitzender die Verhandlungen verfolgt. Zu weit seien die Positionen auseinander: Auf der einen Seite der Insolvenzverwalter Jochen Sedlitz, der die im Mai ausgesprochenen Kündigungen nicht zurücknehmen wolle – auf der anderen Seite die mehr als 70 Arbeiter, die wieder beschäftigt oder besser als bisher angeboten entschädigt werden wollen.

Der aktuelle Rechtsstreit schlägt ein neues Kapitel in der Causa Werzalit auf, die im Jahr 2011 ihren Anfang nahm. Damals gliederte der Holzverarbeiter Werzalit GmbH und Co. KG unter Geschäftsführer Jochen Werz einen Teil der Belegschaft in die Fertigungsgesellschaft Holz und Kunststoff (FHK) aus. Dagegen wehrten sich 56  Arbeitnehmer aus dem Bottwartal und etwa 30 weitere aus den Werzalit-Werken im thüringischen Niederorschel und in Berlin. Sie erhielten in diesem Januar vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt final Recht. Die Begründung: Es habe sich bei dem Outsourcing nicht um einen wirklichen Betriebsübergang gehandelt. Unter der Millionenlast der Lohnnachforderungen meldete Werzalit Insolvenz an – seitdem bemüht sich Jochen Sedlitz um den Verkauf des Unternehmens.

Den Durchbruch bei den Verhandlungen hat es aber noch nicht gegeben. Noch zwei Angebote lägen vor, das eines Finanzinvestors und das eines Unternehmens, so Sedlitz. Interessant dürfte vor allem das Werksgelände als Grundstück sein, dessen Wert der Insolvenzverwalter auf einen „zweistelligen Millionenbetrag“ schätzt. Ob künftig überhaupt noch im Oberstenfelder Werk mit etwa 240 Mitarbeitern weiterproduziert werden soll oder etwa nur im thüringischen Niederorschel, dürfte für einen Investor eine der zentralen Fragen sein, zumal die Maschinen laut Betriebsrat veraltet seien und die Umsätze, so Jochen Sedlitz, nicht so hoch seien, dass an zwei Standorten produziert werden sollte. Im September tauchten im Handelsregister jedenfalls drei Namen auf: die Werzalit Oberstenfeld GmbH, die Werzalit Immobilienverwaltungsgesellschaft und die Werzalit Niederorschel GmbH.

Als Abwicklungsmasse kommen sich die Arbeitnehmer vor, die nach dem BAG-Urteil von Erfurt eigentlich ein Recht auf Weiterbeschäftigung hätten. „Man treibt ein dreckiges Spiel mit uns uns lässt uns im Regen stehen“, sagt Erdal Ayar. Viele der überwiegend Lageristen und Maschinenanlagenführer seien in Hartz IV gelandet, acht Menschen in psychischer Behandlung, etwa zehn bis 15 hätten einen neuen Job, klagten aber noch weiter, und etwa zehn Kollegen seien nun im Ruhestand. „Da hängen Familien dran.“ Im Gegenzug werde die Produktion mit rund 40 Leiharbeitern und 23 Zeitverträgen aufrecht erhalten.

Viel Zeit ist auch in diesem Jahr schon seit dem BAG-Urteil vergangen. Das wird beim Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Stuttgart in Ludwigsburg deutlich. „Wir wollen, dass es vorwärts geht“, sagt Gudrun Stockheim, die als Anwältin der DGB Rechtsschutz Stuttgart die Interessen der meisten Kläger vertritt. Sie sieht es als „große Blockade“ an, dass die Rücknahme der Revisionen vor dem Erfurter Bundesarbeitsgericht von der Gegenseite seit Juli noch nicht eingeleitet worden sei.

Bis Mitte Januar werde man alle Urteile aus Erfurt vorliegen haben, stellte die Anwältin Cristina Baier aus der Kanzlei von Jochen Sedlitz in Aussicht. Man war zunächst davon ausgegangen, dass die sechs BAG-Urteile so große Aussagekraft haben, dass sie nicht formal durchgeführt werden müssten. „Es ist seitdem viel passiert“, stellte Baier klar. So habe man Abfindungspakete auch mit einer Transfergesellschaft geschnürt, doch habe es dem Betriebsrat an Rückhalt gefehlt.

Offen und ehrlich habe er von Anfang an mit den Arbeitern kommuniziert, betont Jochen Sedlitz am Abend auf Anfrage unserer Zeitung. Er bezweifelt den Einigungswillen der Mitarbeiter. „Hier geht es schon lange nicht mehr darum, eine Lösung zu finden.“ Einige Leute seien geradezu paralysiert von der Person Jochen Werz und normalen Argumenten gar nicht mehr zugänglich. Jochen Sedlitz betont, er habe den Betriebsräten ganz offen mitgeteilt, dass der Standort Oberstenfeld nicht zu halten sei und daher eine langfristige Rückkehr der gekündigten Mitarbeiter auf ihren Arbeitsplatz nicht mehr möglich sei. „Die Mitarbeiter haben während des Insolvenzgeldzeitraumes auch ihr Arbeitslosengeld weiter bezogen und standen keineswegs ohne Einkommen dar.“