Vor den Toren des Werzalit-Werkes haben die Mitarbeiter im Oktober 2016 Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Die Einigung über eine Entschädigung ist vorerst gescheitert.

Oberstenfeld - E

igentlich schien die Kuh vom Eis. Eine Einigung zwischen dem Insolvenzverwalter Jochen Sedlitz und den Werzalit-Mitarbeitern, die vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) Erfurt auf Wiedereinstellung geklagt hatten, wirkte auf den ersten Blick fast nur noch wie eine Formsache (wir berichteten). Doch der Wind hat sich innerhalb der vergangenen Wochen komplett gedreht. Offenbar konnte der Betriebsrat die Mitarbeiter nicht davon überzeugen, dass die Offerte von Sedlitz akzeptabel wäre. Es war von einer Größenordnung von etwa 30 000 Euro pro Person die Rede gewesen. Nun stehen die rund 50  Werzalit-Mitarbeiter, die im Jahr 2011 laut BAG-Urteil unrechtmäßig in die Fertigungsgesellschaft Holz und Kunststoff (FHK) outgesourct worden waren, mit leeren Händen da.

Die Erfurter Richter hatten im Januar sechs Werzalit-Mitarbeitern aus den Werken in Oberstenfeld, Berlin und Niederorschel Recht gegeben. Bis dahin hatten sich insgesamt etwa 70 Kollegen durch alle Instanzen gekämpft. In dieser Zeit waren unter anderem Löhne nicht gezahlt worden, die Ansprüche summierten sich. „Da geht es insgesamt um Millionen Euro und dann ist es uns auch noch angelastet worden, dass es zur Insolvenz kam – die wahren Gründe dafür kennen wir aber nicht“, sagt Jan Willem Riezebos, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.

Hatten die Arbeiter zunächst noch große Hoffnungen in den Insolvenzverwalter gesetzt, sei die Stimmung inzwischen frostig. „Wir haben seit dem Insolvenzantrag im Mai auch keine Verzugslöhne gezahlt bekommen“, erklärt Riezebos. Die Mitarbeiter erhielten vom Jobcenter Arbeitslosengeld I und müssten eigentlich die Differenz zu ihrem Lohn bei Werzalit erhalten. Doch das sei bis jetzt nicht geschehen, Dagegen erhielten die auf dem Werksgelände outgesourcten Beschäftigten ihren Lohn weiterhin. „Da endet bei mir das Gerechtigkeitsempfinden – wir haben in allen Instanzen Recht behalten, haben aber den Schaden, obwohl wir nichts dafür können“, sagt Jan Willem Riezebos. Dass der Insolvenzverwalter dann auch noch den Mitarbeitern gekündigt habe, die vor Gericht gezogen seien, verstärke den Eindruck, dass der Insolvenzverwalter ganz im Sinne der ehemaligen Werzalit-Geschäftsführung handele. „Man spielt auf Zeit, wir sollen ausgehungert werden“, so Riezebos, der ankündigt, dass sich die Mitarbeiter gegen die Entlassung wehren wollen.

Mit einem neuen juristischen Streit würde der Insolvenzverwalter zum Prozessgegner, und zwar erstinstanzlich vor dem Arbeitsgericht Stuttgart. Dort hatte auch der lange Rechtsstreit um das Outsourcing durch FHK begonnen. Arbeit bekommen aber nicht nur die Richter in Stuttgart, auch vor dem Bundesarbeitsgericht wird der Betriebsrat nun mithilfe der DGB Rechtsschutz die noch ausstehenden übrigen rund 60 Urteile sprechen lassen. Dies wäre, so Riezebos, die Voraussetzung, um Forderungen einklagen zu können.

Einen Rechtsstreit mit den Werzalit-Mitarbeitern möchte der Insolvenzverwalter Jochen Sedlitz vermeiden. „Gespräche und Einigungen sind immer besser, als vor Gericht zu streiten.“ Deshalb werde er sich noch einmal mit dem Betriebsrat treffen. Dass Teile der Mitarbeiter das Kompromisspaket verwarfen, habe er nicht verstanden. „Ich glaube nicht, dass die IG Metall ihn abgelehnt hätte.“ Er habe beobachtet, dass sich eine Gruppe von Hardlinern im Betriebsrat durchgesetzt habe. So sei der Vorsitzende Werner Fischer, der sich für die Annahme eingesetzt habe, zurückgetreten. „Ich bin überrascht gewesen, wie zerstritten die Leute waren.“

Und die Kündigungen? „Wir können die Mitarbeiter auch nicht weiterbeschäftigen“, sagt Sedlitz. Das liege daran, dass für Werzalit nur eigenständige Gesellschaften auf dem Werksgelände tätig seien und er dort keine Mitarbeiter einstellen könne. „Es ist alles untervergeben – es geht rechtlich schlichtweg nicht.“

Es stimme, dass die Differenzlöhne seit Mai ausstehen, bestätigt Jochen Sedlitz. „Wir hatten diese Zahlungen in den Vergleich mit reingepackt.“ Er habe ja auch zunächst prüfen müssen, ob man überhaupt weiter produzieren könne. Die im Werk Tätigen zunächst auszuzahlen, schreibe die Insolvenzordnung vor.

Eine Einigung mit den Werzalit-Mitarbeitern wäre wichtig gewesen, um einen Investor zu finden, der den Holzverarbeiter übernimmt. Offenbar waren die Verhandlungen schon weit gediehen. So tauchte der Name Wolf Waschkuhn aus Versoix in der Schweiz als neuer Geschäftsführer für die Werzalit Oberstenfeld GmbH am 12. September im Handelsregister auf. Der Interessent habe eine Gesellschaft gegründet. Dieser Eintrag müsse er aber wieder löschen, erklärt Jochen Sedlitz.

Trotz der verfahrenen Lage will Jochen Sedlitz die Flinte noch nicht ins Korn werfen. Allerdings gebe es für ihn nur die Alternativen, den insolventen Betrieb mit einer Einigung weiterzuverkaufen oder ihn zu schließen. Im Werk im thüringischen Niederorschel sei eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat erzielt worden.