Pro Woche gibt Otto Hartmann rund zwölf Stunden Training. Foto: Werner Kuhnle

Seit 40 Jahren trainiert Otto Hartmann Turner beim SGV Murr. In der Abteilung, die er einst mitbegründet hat.

Murr - Schwingen sich Turner in der Murrer Sporthalle hinauf ans Reck, drehen sie sich an den Ringen um die eigene Achse oder zeigen sie am Boden ihre Kunststücke, dann ist ein Mann meistens nicht weit: Otto Hartmann. Seit vier Jahrzehnten ist der im Jahr 1939 geborene Murrer Trainer beim SGV. Doch nicht nur das zeigt seine innige Verbindung zur Turnabteilung des Vereins – schließlich war er es, der die Abteilung einst mitbegründet beziehungsweise nach einer Pause wieder zum Leben erweckt hat. 1979 war das, als die inzwischen abgerissene Gymnastikhalle im Ort fertiggestellt worden ist. Zwei Jahre zuvor hatte er bereits die Mädchen-Gymnastikgruppe übernommen. Turnen in Murr ohne Otto Hartmann? Das wäre wie ein Barren ohne Holmen, wie eine Kür ohne abschließenden Strecksprung.

Für sein 40-jähriges Engagement als Trainer ist Otto Hartmann jüngst vom Verein geehrt worden. Und spricht er über seinen Lieblingssport, gerät er ins Schwärmen. „Turnen dient der Kräftebildung, Motivation, Koordination, Disziplin, dem Fleiß und Ehrgeiz. Und es lehrt Überwindung“, hebt er hervor, und setzt noch einen drauf: „In all den Jahren hat sich gezeigt, dass Menschen, die mal geturnt haben, im Berufsleben erfolgreich sind. Da lernt man fürs Leben.“

Man kann das durchaus als Langzeitstudie betrachten, schließlich brachte Otto Hartmann Generationen an jungen Turnern zum Schwitzen. Die sonst platitüdisch wirkende Aussage vom „Fördern und Fordern“ trifft auf den Trainer dabei besonders zu. Denn er ist ein Mann der klaren Worte, der nicht scheut, Sportler vor Herausforderungen zu stellen. „Viele Vereine bieten für Kinder nur noch Spiel und Spaß an. Es muss aber auch Härte dabei sein. Es wurde lange unterschätzt, was Kinder imstande sind zu leisten“, sagt Otto Hartmann. Gerne würde er noch bessere Trainingsmöglichkeiten haben, schmerzlich vermisst er ein Leistungszentrum im Turngau Neckar-Enz. „Es ist eine Schande, dass es hier keines gibt“, macht er deutlich.

Dreimal pro Woche gibt Otto Hartmann beim SGV Murr Training, das macht rund zwölf Stunden. In die Halle kommen alle Altersklassen: Kinder von fünf bis sieben Jahre, Fördergruppenkinder von acht bis 13 Jahren und natürlich die Aktiven, die seit 2015 mit dem GSV Erdmannhausen erstmals auch eine zweite Mannschaft stellen. Wobei die zweite Garde besonders der Nachwuchsförderung dient. Im Turnen einen Blick auf den Nachwuchs zu haben, ist eines der Grundprinzipien Hartmanns.

Auch in seiner eigenen Jugend war Otto Hartmann begeisterter Turner und Leichtathlet. Damals noch im hohenlohischen Ingelfingen, wo er aufgewachsen ist. Auch später, während seiner Zeit als Dienststellenleiter bei der Deutschen Bahn, ließ er nicht locker. „Da bin ich auch abends nach der Spätschicht regelmäßig zehn Kilometer gelaufen“, blickt er zurück.

Seit 1971 lebt der Vater von drei Kindern, der sich inzwischen auch über fünf Enkel freuen darf, in Murr. Hier engagierte er sich schnell als Übungsleiter bei der Jedermann-Gymnastik der II. Weg-Freizeitgruppe. Es folgte die Übernahme der Mädchengymnastik. „Beim ersten Training waren 40 Mädchen da. Zum Glück hatte ich zwei Helferinnen“, erinnert er sich schmunzelnd.

Alle Ämter und Funktionen, die der passionierte Sportler fortan bekleidete, aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Unter anderem war er Turnwart und Abteilungsleiter, heute ist er zudem Kampfrichter. Mit seinen Mädchen folgten schnell Wettkampfteilnahmen, die Ausflüge zum Deutschen Turnfest waren regelmäßige Höhepunkte. Zudem organisierte er 1985 ein Gau-Kinderturnfest in Murr mit 2300 Teilnehmern. „An dem Tag regnete es in Neckarweihingen. Bei uns blieb es zum Glück trocken, wir waren ja auf dem Sportplatz.“ 1995 folgte ein Gau-Turnfest mit 1000 Teilnehmern, für das der SGV die Hallen in Pleidelsheim und Steinheim anmietete. Im gleichen Jahr übernahm er das Bubenturnen, während Matthias Kunz nun die Mädchen trainierte. Sportlicher Höhepunkt war im Jahr 2012 der Landesliga-Aufstieg der Aktiven SGV-Turner, dem nach einem Jahr jedoch der denkbar knappe Abstieg folgte.

Ob Otto Hartmann auch das fünfte Jahrzehnt als Trainer vollmachen möchte? „Ich werde das schon etwas zurückschrauben“, sagt er, und schiebt leise hinterher: „Vielleicht höre ich im Sommer auch auf.“ Schwierig macht diesen Schritt allerdings der Mangel an ausgebildeten Trainern, die in die Bresche springen könnten – und sicherlich auch seine riesige Begeisterung für diesen Sport.