Moderator Achim Seiter (links) im Gespräch mit Jörg Ludewig. Foto: Phillip Weingand

Der ehemalige Radprofi Jörg Ludewig weiß bei der Auftaktveranstaltung zum 15. mz3athlon zu begeistern.

Murr - Dass Jörg Ludewig nicht gerade einer der besten Radfahrer ist, die Deutschland jemals hervorgebracht hat, das weiß der 39-Jährige selbst. Er macht auch keinen Hehl daraus. „Ich war von Januar bis Oktober gleich schlecht“, sagte er am Dienstagabend im Bürgersaal Moderator Achim Seiter, fügte an: „Ich war nie wirklich ein guter Radfahrer, konnte im Big Business nicht mitmischen. Platz 37 bei der Tour de France interessiert keine Sau.“ Mit solchen und ähnlich klaren Aussagen begeisterte er bei der Auftaktveranstaltung zum 15. mz3athlon schnell. Innerhalb von ein paar Minuten hatte er die rund 60 Besucher in seinen Bann gezogen und die Lacher auf seiner Seite. Kein Wunder: Seine Geschichte taugt zum Schmunzeln. Vor allem, wenn sie von ihm selbst erzählt wird. Pointiert.

Angefangen hat nämlich alles mit seinem Vater, einem Mann, der selbst Radprofi werden wollte, „es aber nicht auf den Schirm bekommen hat“, wie Jörg Ludewig verriet. Gepusht von eben diesem radelte der Westfale gerne durch die Weltgeschichte, spielte zu dieser Zeit aber auch noch Fußball. „Jedoch eher rechts draußen als rechts außen.“ Da ihm das Radeln zum Training dabei fast schon mehr Spaß brachte, ließ er den Ball irgendwann einfach links liegen und widmete sich ganz seinem Drahtesel. Blöderweise kam genau zu dieser Zeit seine Banklehre dazwischen. Das merkten auch seine Chefs schnell, die ihm deshalb nach rund eineinhalb Jahren die Möglichkeit gaben, sich beurlauben zu lassen. „Sie haben gesagt, Sie sind noch nicht so weit. Wir beurlauben Sie und Sie können jederzeit wieder einsteigen.“ Eingestiegen ist er bis heute nicht. Rund 20 Jahre liegen seitdem hinter dem Radsportler. 20 Jahre, die es in sich hatten. Den wohl prägendsten Moment seiner Karriere erlebte Jörg Ludewig dann im Jahr 1999. „Das Team Gerolsteiner hat mich mit zur Nachwuchs-Tour-de-France genommen. Dort habe ich das gelbe Trikot erkämpft und bin Siebter geworden.“ Ein Platz, der sein Leben veränderte, und ein Trikot, das bis heute ein Platz in seinem Haus hat. Als einziges Relikt der Vergangenheit. Es hängt prominent in den Wänden seines Pferdehofs, auf dem es sich der heute 39-Jährige inzwischen mit seiner Frau gemütlich gemacht hat. Seine Gattin war übrigens auch Thema in Murr – jedoch nur kurz. Denn sie bezeichnet Jörg Ludewig gerne liebevoll als „Glücksscheißer“. Dass er in seinem Leben schon mehrfach Glück hatte, das weiß er inzwischen selbst.

„Ich bereue es jedoch etwas, die ganze Zeit von damals erst jetzt richtig wertzuschätzen. Ich wusste damals gar nicht, was ich für ein Glück hatte.“ Seine Zeit bei Profirennställen und bei seinen drei Tour-de-France-Teilnahmen meint er damit. „Ich war als Radprofi auch so eine Mimose. Wenn du jetzt aber im wirklich Leben angekommen bist, dann weißt du erstmal, wie gut es dir als Radprofi ging und wie sie dir den Po abputzen.“ Rückblickend war für ihn vor allem die Zeit bei der Tour-de-France prägend. Aus verständlichen Gründen. „Sie kann dein Leben so dermaßen verändern“, erklärte er den Besuchern und fügte an: „Einmal in der Spitzengruppe dabei zu sein und auf der Schlussgeraden eingeholt zu werden, heißt, nächstes Jahr einen Vertrag zu bekommen.“ Zudem verriet er: „Ich habe in meinem Leben viele abgefahrene Dinge erlebt, aber die Tour de France ist einmalig. Im Nachhinein wirkte sie fast wie Urlaub“, sagte er und überraschte mit dieser Aussage. Wie mit vielen an diesem Abend. Ein Beispiel: Bei einem Hobbyrennen will er kein Sieger sein.

Das fiel ihm jedoch erst ein, nachdem er gehungert hatte, um einen bestimmten Konkurrenten beim Ötztaler Radmarathon zu schlagen. „Ich bin in der Zeit mit Hunger ins Bett, bin dann nachts aufgewacht und habe an einem Stück Käse gelutscht“, erzählte er. Am Ende freundete er sich mit genau diesem Konkurrenten an. Seine Erzählungen – sie sind authentisch. So wie er selbst. „Ich färb mir die Haare, bleache mir die Zähne, lass mir Tattoos stechen – und stehe dazu“, verriet er und stellte im Anschluss sein derzeitiges Projekt, seine Passion vor. Natürlich hat auch sie mit dem Radsport zu tun. Bei Leightweight arbeitet Jörg Ludewig als Verkaufsleiter. Lightweight selbst baut die wohl exklusivsten Rennrad-Laufräder der Welt. Eines davon hatte er in Murr dabei. Schlappe 11 000 Euro war das Modell wert. Seine Werbung – sie war anders als man sie von einem Verkaufsprofi hätte erwarten können. „Unsere Kunden brauchen die technischen Raffinessen eigentlich gar nicht. 80 Prozent unserer Kunden können das Potenzial gar nicht ausnutzen“, meinte er und schob auch hier wieder ein Lächeln hinterher. Ebenso wie zu Beginn des Abends bei seiner Erkenntnis: „Eigentlich war ich eh immer zu schwer für einen Radprofi.“