Zwischen 40 und 50 Kilometer schwimmt Felix Grieb derzeit im Schnitt pro Woche. Je nach Trainingsphase können es aber auch mal bis zu 70 Kilometer werden. Foto: Werner Kuhnle

Der Murrer Felix Grieb ist kürzlich Deutscher Junioren-Vizemeister über zehn Kilometer geworden.

Murr - Dienstagmorgen um halb neun. Das Inselbad in Untertürkheim ist eigentlich noch geschlossen und daher fast menschenleer. Nur ganz hinten im Wettkampfbecken ziehen ein paar Schwimmer aus dem württembergischen Kader ihre Bahnen. Unter ihnen ist auch der 19-jährige Felix Grieb aus Murr, der für den SV Bietigheim schwimmt. Bereits seit sieben Uhr morgens ist er mit seiner Trainingsgruppe im Wasser. „In etwa zehn Minuten ist er fertig“, sagt Trainerin Bettina Merkle, bevor sie Grieb und seinem Trainingspartner schnell die Zeiten der beiden letzten Bahnen nennt. Kurz darauf sind beide schon wieder unterwegs.

„Jetzt im Sommer geht das noch, insbesondere in diesem Jahr haben wir mit dem Wetter ja bislang Glück gehabt. Aber im Winter, wenn wir hier unter der Traglufthalle trainieren und noch eine Stunde früher beginnen, dann ist das echt hart“, erklärt Merkle. Reich und berühmt könne man mit dem Schwimmen auch nicht werden. „Daher sind hier wirklich nur die Freaks, die das einfach aus Leidenschaft machen.“ So wie eben Felix Grieb. Zweimal pro Woche geht er morgens um sieben ins Becken, zudem sechsmal pro Woche nachmittags. Das Inselbad ist quasi seine zweite Heimat.

Dabei findet die Spezialstrecke von Felix Grieb gar nicht im Becken statt, sondern im Freiwasser. Kürzlich ist er über zehn Kilometer Deutscher Vizemeister bei den Junioren geworden. Über fünf Kilometer war er zudem Zweiter in der Jahrgangswertung. „Über zehn Kilometer betrug der Rückstand auf Platz eins etwa eine Minute. Das ist bei einer Gesamtzeit von knapp zwei Stunden zwar deutlich, aber auch nicht die Welt“, sagt der 19-Jährige, nachdem er aus dem Wasser gestiegen und sich abgetrocknet hat. „Über fünf Kilometer waren es vier Minuten, das ist dann schon ein riesiger Abstand.“

Das Freiwasserschwimmen sei schon nochmal etwas anderes. „Im Becken habe ich meine eigene Bahn, da könnte ich im Grunde genommen ja alleine schwimmen. Aber im Freiwasser haben wir einen Massenstart wie beim Triathlon. Da fliegen auch schon mal ein paar Ellbogen. Außerdem kann man da im Sog schwimmen und dadurch Kraft sparen. Das ist ähnlich wie beim Windschatten“, erklärt er. Und wie kommt man überhaupt auf die Idee, solche langen Strecken zu schwimmen? „Das sucht man sich ja nicht wirklich aus. Es stellt sich irgendwann heraus, für welche Strecken man talentierter ist, und dann muss man sich eben spezialisieren. Bei mir waren es halt die langen Strecken.“

Zehn Runden zu je einem Kilometer waren zuletzt bei den Deutschen Meisterschaften zu absolvieren. Zehn Runden, die sich schier endlos ziehen können und Zeit für Gedanken lassen. Bei Felix Grieb kreisten diese dann ums Essen. „Ich habe alle zwei Runden Verpflegung in Form von Gels bekommen. Und auf der Strecke habe ich dann immer schon gedacht: ,Jetzt wäre es schön, bald wieder Verpflegung zu bekommen.’“, erklärt der Murrer lachend. „Aber ansonsten ist man natürlich darauf fokussiert, in der Gruppe zu bleiben und sich das Rennen gut einzuteilen.“ In richtig langen Trainingseinheiten könne es hingegen schon mal vorkommen, dass er gedanklich komplett abschweift. „Aber man muss dann halt aufpassen, dass es die Trainingsqualität nicht beeinflusst.“

Um auf diesem Niveau schwimmen zu können, bedarf es einen riesigen Trainingspensums. „Jetzt im Moment absolviert Felix etwa sechs bis acht Kilometer pro Einheit. Das sind dann 40 bis 50 Kilometer pro Woche. Je nach Trainingsphase können es aber auch schon 60 bis 70 Kilometer werden“, sagt Bettina Merkle, die sich als Assistenztrainerin von Landestrainer Dr. Farshid Shami vor allem um die morgendlichen Einheiten kümmert. Mit dem Schwimmen begonnen hat Felix Grieb als Vierjähriger. „Aber so richtig auf Leistung mache ich das seit etwa fünf oder sechs Jahren.“ Bis vor einem Jahr hat er das immense Trainingsprogramm noch neben der Schule abgespult, hat am Wirtemberg-Gymnasium sein Abitur gemacht. „Das ist fünf Minuten von hier. Damals bin ich jeden Morgen mit der Bahn aus Murr hierhergefahren und dann abends wieder zurück. Jetzt habe ich zum Glück Führerschein und Auto. Das erleichtert die Sache doch sehr.“ Die Kollegen aus seiner Trainingsgruppe gehen zum Teil noch zur Schule, stecken also noch in dem Trott drin, den Felix Grieb seit einem Jahr hinter sich hat.

Doch lange wird er in dieser Gruppe nicht mehr sein. Mitte August geht der Murrer zum Studieren in die USA, genauer gesagt nach Wingate in North Carolina. Die kleine Universitätsstadt liegt ein paar Kilometer südöstlich von Charleston, der größten Stadt des Bundesstaates. „Sie haben dort ein ganz gutes Schwimmteam. Studium und Sport laufen dort Hand in Hand. Hier in Deutschland könnte man das nur in ganz seltenen Fällen so unter einen Hut bringen. Dort ist das ganz selbstverständlich.“ Felix Grieb möchte auf diesem Wege „einfach das Beste rausholen“. Natürlich sei eine Olympiateilnahme für jeden Sportler der große Traum. „Aber man muss ja auch realistisch bleiben. Ich glaube nicht, dass ich das mal schaffen werde.“

Seiner Trainingsgruppe wird der Murrer auf jeden Fall fehlen. „Auch menschlich, er ist ein echter Sonnenschein“, betont Bettina Merkle, während Felix Grieb für ein paar Fotos posiert – für ihn eine sichtbar ungewohnte Situation. Dass ein paar seiner Kollegen die Situation am Rand für ein paar Scherze ausnutzen, macht die kleine Fotosession für ihn nicht einfacher. Die Trainerin ist fast schon amüsiert, wie unsicher und verlegen ihr Schützling dabei agiert. „So ist er sonst eigentlich gar nicht. Eine solche mediale Aufmerksamkeit sind wir Schwimmer einfach nicht gewohnt. Aber das wird in den USA auch anders sein. Dort genießt das Ganze einen wesentlich höheren Stellenwert. Und auch wenn Felix das so ein wenig herunterspielt: Die nehmen dort nicht jeden. Er hat ein80-Prozent-Stipendium bekommen. Das sagt schon einiges.“

Einen Wettkampf wird der Murrer vor seiner Abreise noch in Deutschland bestreiten. Nächste Woche sind die Deutschen Meisterschaften der Aktiven auf der Langbahn in Berlin. Hier geht Felix Grieb über 400, 800 und 1500 Meter Freistil an den Start, fünf ihn also fast schon Sprintstrecken. „Auf vordere Platzierungen habe ich da keine Chancen. Es geht vor allem um meine persönlichen Bestleistungen“, sagt der 19-Jährige. Auch hier lautet also das Ziel: „Einfach das Beste rausholen.“