Foto: Oliver von Schaewen

Das Regionenspiel mit Bonndorf endet zwar mit 20:23, doch für die Beteiligten ist es eine Riesengaudi.

Murr - Das triste Grau des Himmels will an diesem Freitagmorgen einfach nicht verschwinden. Es ist kurz vor 9 Uhr morgens – noch sieht es so aus, als ob nur ein versprengtes Häufchen dem Treiben auf der Bühne von SWR4 zuschauen will. „Murr ist ein fröhliches Dörfchen“, „wir haben kuschelige Eckchen“. Die vorher eingefangenen O-Töne von Einwohnern sprudeln aus den Lautsprechern. Ob der Funke überspringen wird?

Gute Laune verbreiten – das haben sich die Macher von SWR4 im Regionenspiel auf die Fahnen geschrieben. Das Rezept ist einfach: Man bringe zwei Gemeinden aus verschiedenen Ecken des Ländles zusammen. Und lasse sie gegeneinander spielen. Das Radio sendet die Atmosphäre von einem Ort zum andern. So verbringt man im Idealfall einen spaßigen Vormittag von 9 bis 12 Uhr miteinander. So ist es auch diesmal in Murr: Immer mehr Zuschauer finden sich vor der Bühne ein – dem Team um Moderatorin Ute Weber gelingt es, mit flotten Sprüchen, ihre Zuschauer aus der Reserve zu locken. Die Mienen hellen sich zusehends auf, gegen 11 Uhr sind etwa 300 Gäste vor Ort.

Was am Tage X aber so locker leicht rüberkommt, ist das Ergebnis harter Vorarbeit. Das hat der Murrer Bürgermeister Torsten Bartzsch im Vorfeld erlebt. Eine „Spionagereise“ nach Bonndorf, und natürlich die Massenproduktion von Laternen im Akkord galt es zu absolvieren. Wie an Perlenschnüren aufgereiht, zieren die meisten von ihnen an diesem Morgen den Dorfplatz. Erst am Abend des Spieltags sollen sie angezündet werden, damit beim „Glühwürmchen-Fest“ von 18 Uhr an noch einmal alle miteinander feiern können.

Um es vorwegzunehmen: An den Laternen lag es nicht, dass die Murrer ihren Wettkampf mit den Bonndorfern mit 20:23 verloren haben. Beide übertrafen das geforderte Maß um mehr als das Doppelte: Murr fabrizierte 2741, Bonndorf 2909 Laternen. „Ich finde es toll, dass so viele zusammen geschafft haben – Murr hat einen echten Gemeinschaftssinn“, sagte Torsten Bartzsch am Ende des Vormittags unserer Zeitung. Ihn habe besonders beeindruckt, wie schnell die Murrer ihre Tagesaufgabe lösten: einen fünf mal fünf Meter großen japanischen Garten zauberten die Mitspieler binnen eineinhalb Stunden auf den Dorfplatz. Und nicht nur das: fünf Mönche und fünf Geishas in Kimonos sollten mit einem Gong das Bauwerk einweihen. Alles kein Problem. Das Team um Ute Lindenlaub-Knoll ließ in puncto Gartenarbeit nichts anbrennen. Auch die faschingserprobten Murrer waren da: Sie kramten in Nullkommanix geeignete exotische Kostüme hervor. „So etwas habe ich noch nicht gesehen“, schwärmte Moderatorin Ute Weber über das Gesamtkunstwerk. Den Murrern brachte ihr Einsatz vier Punkte.

Die Bonndorfer erwiesen sich aber als ähnlich gut organisiert. In Anspielung auf die Kammerkonzerte der Bietigheimer Symphoniker in Murr mussten sie 20 Musiker vor einem geschmückten Weihnachtsbaum aufbieten, die das Stück „Für Elise“ spielen sollten. „Ich sehe schon genügend Musikschullehrer“, hörten die Murrer Bonndorfs Schultes Michael Scharf zuversichtlich via Bühnenmikro durchs das Radio parlieren. Er sollte recht haben.

Wenn nicht am Anfang dieses verflixte Alemannisch gewesen wäre. Erst freuten sich die Murrer, als sie aus Bonndorf beim ersten von drei Begriffen bestätigt bekamen, dass sie richtig lagen. Doch gleich darauf die ernüchternde Korrektur: Die Lösung für „Gnams“ lautete nicht „umständlicher Mensch“, sondern „gewohnheitsmäßige Portion einer Mahlzeit“. Schon stand’s 0:2. Relativ einfach machten es die Murrer ihren Gegnern, die „Fläggabäse“ (Schwatzliese), „Lois“ (Furche) und „Gruaschdet“ (ein Ruhestein für schwere Körbe) ins Rennen warfen. Diese drei Begriffe habe der Sender aus einer Zehnerliste der Murrer ausgesucht, erklärte Mundartspezialist Albrecht Blank hinterher ohne Groll. Er habe schon noch ein paar schwerere Brocken in petto gehabt. So aber bissen sich die Bonndorfer nur am dritten Begriff „Gruaschdet“ die Zähne aus, den sie irrtümlich für eine Krimskrams-Schublade hielten.

Wissenstechnisch auf der Höhe hatte sich das Murrer Rate-Team gezeigt, als es aus Radio-Kinderbeiträgen das Engländerkreuz in der Wutachschlucht erraten konnte. Das wirkte fast erlösend, denn Murr lag zu diesem Zeitpunkt gegen 10.30 Uhr schon 0:7 zurück und verkürzte auf 3:7. „Jetzt geht’s los“, skandierten die Kids.

Gegen 11.40 Uhr dann der herbe Rückschlag, als die Online-Abstimmung für die schönste Laterne noch mal einen Punkt an die Wutach spülte. Da das Ringen um die meisten Telefonanrufe unentschieden ausging, stand der Sieger fest. Die Bürgermeister gratulierten sich. Er habe eins gelernt, meinte Michael Scharf: „Murr muss man mögen – ich möchte euch wiedersehen!“