Foto: Werner Kuhnle

Gunter Haug hat in der Ortsbücherei seinen neuen historischen Roman vorgestellt. Darin geht es um das Leben der Frauen im 19. Jahrhundert.

Murr - Die 30 Zuhörer sind betroffen. Bei dem, was der Autor erzählt und liest, gehen sie ganz mit. Der 59-Jährige scheint aber auch selbst noch bewegt vom Thema, den Schicksalen armer Frauen auf dem Land im 19. Jahrhundert. Obwohl er das im Sommer erschienene Buch „Die Töchter des Herrn Wiederkehr“ ja selbst geschrieben und lange dafür recherchiert hat, ist bei ihm statt abgeklärter Distanziertheit immer noch mitfühlende Emotionalität zu spüren.

Mit einem heftigen Schimpfwort belegt er in seinen Erläuterungen Männer wie den Korker Apotheker Wiederkehr. Zwar stellte sich im Laufe der Recherchen heraus, dass nicht dieser der Vater dreier unehelicher Töchter einer Dienstmagd war, die nie ein eigenes Familienheim ihr eigen nennen durfte. Dafür war es ein anderer, der sie schwängerte und nicht dazu stand. Allerdings waren immer wieder Päckchen aus Kork für sie beziehungsweise die Kinder angekommen. Eines davon war die Oma von Gunter Haugs Ehefrau. Nach etlichen Widerständen hat er sich dieser Familiengeschichte angenommen. Sie knüpft thematisch an seinen größten Erfolg, „Niemands Tochter“ aus dem Jahr 2002, an. Eine halbe Million Exemplare wurden davon verkauft. Die 32. Auflage über die historisch verbürgte Geschichte eines von der eigenen Mutter abgegebenen Wickelkinds steht bevor. Seine staunende Frage über eine derartige Resonanz hat ihm die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt beantwortet. Er habe damit den hundert tausenden von Frauen, die auf dem Land ein bockelhartes Leben als ein Nichts gefristet hätten, ein Gesicht gegeben. Diese Zeiten seien gar nicht allzu lange vorbei, fügte Haug an.

Nach diesem Frauenbuch schrieb Haug unter anderem Biografien über Bosch, Daimler, Porsche, Zeppelin. Doch dann, erzählt er, kamen die Leserinnen und meinten. „Jetzt sind wir wieder dran“. Ein Thema zu finden sei gar nicht so leicht gewesen, denn „bei mir müssen die Fakten stimmen“, so der ehemalige Journalist. Haug war unter anderem Fernsehnachrichtenchef von SDR und SWF, Abteilungsleiter für Unterhaltung und für Sondersendungen, bevor er sich als Autor selbstständig machte. Seit 2008 betreibt er mit Gerhard Raff den Landhege Verlag. Vor einem Jahr wurde er zum Vorsitzenden des Vereins Artikel 5, gewählt. Der Verein setzt sich für Informations- und Meinungsfreiheit ein.

Ein paar Seiten im neuen Buch hat Haugs Ehefrau beigetragen. Es sind Erinnerungen an ihre „heißgeliebte“ Oma Marie. Erinnerungen auch an eine langsam versinkende bäuerliche Welt, wie Haug bemerkte. Diese Großmutter war die jüngste der drei unehelichen Töchter der Magd Margret, der Hauptperson des auf Tatsachen basierenden Romans. Haug setzt noch weiter vorne an, bei ihrer schmerzhaften Geburt, ohne Hebamme, weil die Eltern sich diese nicht leisten konnten.

Pünktlich um sieben Uhr beginnt für Margret die Schule. Für jeden Fehler gibt es Tatzen auf die bloßen Finger, die ansonsten die Kartoffeln aus dem Acker kratzen müssen. Schuhe gibt es keine, das Essen reicht nicht, um den Hunger zu stillen. Mit 14 Jahren findet Margret eine Anstellung in einem Restaurant in Bad Rappenau. Die vier Kilometer hin und wieder zurück geht sie zu Fuß. Dreimal kommt sie schwanger zuhause an. Zur Vaterschaft schweigt sie eisern, selbst als 1910 so manche reinen Tisch machen möchten. Komet Haley war im Anmarsch, viele Menschen glaubten an den Weltuntergang.