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Eine kleine Sensation spielte sich am Dienstagabend im Bürgerhaus ab: Kein Geringerer als die Jazz-Legende Johnny Varro gab dort seine musikalische Visitenkarte gab.

Murr - Sein Gang ist federnd, sein Klavierspiel flüssig und feinst austariert. Nur einmal, bei einer kurzen Ansage, kommt Johnny Varro kurz ins Stocken. Ansonsten ist dem Amerikaner sein Jahrgang, 1930, nicht anzumerken. Auf sein Alter angesprochen, meint er lächelnd: „No Reason to stop“.

Vor vier Wochen flog er von Florida über den Atlantik, zuerst in die Schweiz. Dort und dann in Deutschland gab er Konzerte mit altbekannten Weggefährten. Einer davon ist der Waiblinger Peter Bühr, ein ebenfalls unermüdlicher Musikbotschafter, schon lange in seinen 70ern. Vor mehr als 40 Jahren hat Bühr die Band Flat Foot Stompers gegründet. Als der jazzbegeisterte Saxofonist und Klarinettist 1986 von Deutschland aus ein Konzert zum 80. Geburtstag von Wild Bill Davison organisierte, lernte er Varro kennen. Er sei neben Dick Hyman der letzte große Swingpianist in Amerika, sagt Bühr. Mit allen Großen habe Varro Musik gemacht.

Und nun war dieser Große im kleinen, beschaulichen Murr. Eine Besucherin konnte dies kaum fassen. Sie war völlig begeistert von diesem Ereignis am Dienstagabend. Das Konzert überzeugte sie restlos. „Das ist hervorragend, wie die miteinander harmonieren“, schwärmte die Freibergerin, während ihre Freundin sich in der Pause angeregt auf Englisch mit dem leutseligen Varro unterhielt.

Mit einer freien Improvisation von „Rosetta“ stellten sich die Musiker einer nach dem anderen sozusagen musikalisch vor. Quicklebendig mit flinken Fingern der Pianist, Johnny Varro, dann der auch im weiteren Verlauf äußerst gewichtige Trompeter Andy Lawrence, Peter Bühr mit einer fließend-klaren Klarinette, Jörn Baehr hier mit nahezu expressivem, fein kontrastierendem Gitarrespiel. Bassist Wolfgang Mörike und Schlagzeuger Willi Lindfors garantierten durchweg für den wohligen Drive und glänzten im Trio mit Johnny Varro bei „Shiny Stocking“. Als distinguierter Interpret zeigte Varro sich auch bei „Emily“, nur vom Bass begleitet. „Wenn Sie uns als Menü betrachten, dann ist hier das Steak“ – so hatte Bühr den Pianisten vor diesen beiden Höhepunkten angesagt.

Zu erleben war auch Varros Kunst des Arrangierens all der Standards aus der Swingära zwischen 1930 und 1950. Es gebe wohl kaum einen Jazzmusiker, der seine vor wenigen Jahren erschienene CD nicht habe, machte Bühr auf Varros Bedeutung in der Szene aufmerksam. Mit „Sweethearts on parade“ machte das Sextett den Anfang einer Auswahl von Varros „schwierigen Arrangements“. Bühr dehnte die Töne, ließ sie kaum merklich vibrieren und machte sein Saxofon so zum Erzähler, dann zum Gesprächspartner von Gitarre und Klavier.

Von Varro inspiriert, hat auch Andy Lawrence einige Stücke arrangiert. Sein „As long as I live“ ergoss sich wie ein warmer, ruhiger Strom in den Raum. Bei seinem „It’s you or no one“ hatten Saxofon und Trompete wieder wunderbar zueinander gefunden. Ein besonderes Bonbon war der „Summer Samba so nice“ im treibenden Bossa Nova-Rhythmus. Mit lebendigen Einlagen kam ein vergessenes Musicalstück von George Gershwin zu neuen Ehren. Es gab ein Solo von Peter Bühr („Stardust“), weitere von Johnny Varro („Echo of Spring“, „Tangerine“) und mehr. In Anspielung auf Bührs Menüvergleich kommentierte eine Zuhörerin: „Filetstück“.