Der Bauherr Peter Ludwig hat es bald geschafft: Die Außensanierung der Zehntscheuer tritt in ihre letzte, zweimonatige Phase. Foto: Oliver von Schaewen

Der Architekt Peter Ludwig hat die Fassade der Zehntscheuer fast fertig saniert.

Murr - Zufrieden blickt Peter Ludwig auf das Gebäude, das ihn seit November 2015 einen Großteil seiner Freizeit gekostet hat. Immer noch steht der Baukran an der Zehntscheuer. Ludwig nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette. „Wir haben so manchen Stein damit hochgehoben“, erzählt der 59-Jährige, der mit asketischer Disziplin immer abends zwei bis drei Stunden am Mauerwerk des historischen Gebäudes aus dem Jahr 1557 feilte und auch an den Wochenenden permanent weiterarbeitete. Sogar einige seiner 20 Aquarien opferte der passionierte Angler der Herzensangelegenheit, die zum Kraftakt mutierte. Doch dafür sieht er sich belohnt: In etwa zwei Monaten hofft er, das Richtfest feiern zu können.

Nach zähen Verhandlungen mit dem Denkmalschutz entwickelte Ludwig einen Plan, der Mut und Können erforderte. „Die Giebelwand war nach vorne gekippt“, erzählt Peter Ludwig. Es fehlte vor 400  Jahren ein gutes Fundament, dann sei auch noch die Straße gebaut worden. Der Vorplatz lag tiefer, es drang Wasser ein. Doch der Architekt fand probate Mittel, um das Haus wieder ins Lot zu bringen. Er baute die Giebelseite mit den alten Sandsteinen wieder von unten auf, setzte Streben ein – wobei das Dach auf dem Gebäude blieb. Entscheidend war, mit Hilfe von Winden Giebel samt Dachstuhl nach hinten zu ziehen. „Es knackte etwas“, erzählt Ludwig, aber am Ende saßen verblüffenderweise alle Wände wieder genau an den Stellen, an denen sie beim Bau im 16. Jahrhundert gestanden hatten.

Vor Überraschungen blieb der Bauherr in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht gefeit. „Die hintere Wand zum Kindergarten war ein Totalschaden“, sagt er. Eine Hecke hatte das Ausmaß verborgen. Erst als sie weg war, erkannte Ludwig das Dilemma. Auch diese Wand musste er von Grund auf wieder mit Einzelsteinen hochziehen. Da ihn auch noch Defekte auf dem Dach aufhielten, waren Geduld und Energie gefragt. „Das Ganze hat mich ein Dreivierteljahr gekostet“, sagt er. Hätte ein Maurer die Arbeiten verrichtet, wären Zusatzkosten von 100 000 Euro auf ihn zugekommen.

Über den Gesamtetat schweigt Peter Ludwig sich aus. Das Haus sei für seinen Sohn Christian, der darin wohnen werde und auch mitgeholfen habe. „Die Menschen, die vorbeikommen, äußern sich immer wieder anerkennend“, erzählt der Architekt. Das Haus liege ja auch an einem Radweg und werde von vielen gesehen.

Passanten können aber nicht nach innen sehen. Dass auch dort Probleme zu lösen waren, zeigt sich beim Rundgang, an dem der Restaurator Reiner Harnoß teilnimmt. Er ergänzte verfaulte Balken durch neue Holzelemente, die er passend mit schräg stehenden Eichendübeln aneinander befestigte. „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“, schildert er lächelnd das Motto beim Umgang mit den Materialien.

Eine kleine provisorische Treppe führt ins Obergeschoss, wo die Schlafräume eingerichtet werden. Ein Blickfang sind die vier Fenster an der Giebelseite. Von ihnen haben aber nur zwei einen historischen Rundbogen oben. „Wir brauchten zwei zusätzliche Fenster, damit ein zweiter Fluchtweg im Brandfall möglich ist und die Feuerwehr mit der Drehleiter agieren kann“, bemerkt Peter Ludwig. Im Erdgeschoss fällt ebenfalls viel Licht herein. Ein neues, riesiges Fenster entsteht an der alten Problemwand – und auch der Torbogen an der Giebelseite erhält Glas.

Einen interessanten Anblick bietet derzeit noch die Außenfassade. Die neu aufgebauten Mauernsteine sind noch nicht verfugt. Ein braun-beiger Putz werde im Stile der englischen Romantik dafür sorgen, dass die Wände eine glatte Oberfläche bekommen, erklärt der Architekt, der seit 33  Jahren seinen Beruf ausübt. Das Dach werde binnen einer Woche gedeckt, kündigt er an. Dabei habe er es mit einer Betonumfassung, die von außen nicht zu sehen sein wird, zusätzlich stabiliert. Die Isolierung brauche viel Platz, so sei am Übergang zum Dach Füllraum entstanden. „Beim Fachwerk sähe so etwas nicht gut aus – hier aber kann ich den fehlenden Raum mit kleinen Sandsteinen ausfüllen“, berichtet Peter Ludwig. Er schaue sich immer wieder auf Baustellen um und arbeite ganz gerne mit Restmaterialien. Eine kleine Treppe zum Hof in Richtung Kindergarten zeigt, was daraus an Neuem entstehen kann.

Erhalten bleibt auf jeden Fall die kleine Garage vor der Zehntscheuer. Ludwig historisiert sie mit den gleichen Biberschwanzdachschindeln, wie er sie für die Zehntscheuer verwendet. „Es kommt dort ein Abstellraum für den Kindergarten hinein“, erklärt er. Außerdem könne er Solarzellen aufsatteln, um die Zehntscheuer mit selbst gewonnener Energie zu versorgen.