e systemische Arbeit ist für die Therapeuten „lebenspraktisch“. Foto: Andrea Ertl

Von Familienaufstellungen haben viele schon gehört. Wie diese ablaufen und worum es dabei geht, macht Therapeut Randolf Hummel deutlich.

Eine junge Frau hatte jahrelang keinen Kontakt mit ihrem Vater“, so erinnert sich Randolf Hummel an eine Klientin. „Und zwei Tage nach der Familienaufstellung bei uns hat er sich bei ihr gemeldet.“ So etwas erlebt er häufig. „Das ist es, was systemisch bedeutet“, ergänzt seine Frau Waltraud Paulik-Hummel, die mit ihm gemeinsam in der Praxis für Systemische Therapie und Beratung in Markgröningen arbeitet: „Wie bei einem Mobile kommt Bewegung in ein ganzes System, auch wenn sich zunächst nur ein einziger Teil darin bewegt.“  Für einen Tag am Wochenende, an dem eine Familienaufstellung in einer Gruppe von rund zwölf Menschen im idyllisch gelegenen Seminarraum erarbeitet wird, lernen sich zunächst alle Teilnehmer in der Küche kennen. Jeder bringt etwas für das gemeinsame Mittagessen an einer langen Tafel mit. Vier Teilnehmer können an einem solchen Tag ein eigenes Anliegen aufstellen lassen und die anderen stehen als sogenannte Stellvertreter zur Verfügung. „Auch sie machen für sich persönlich ganz interessante Erfahrungen an diesem Tag“, sagt Hummel. Zwei verschiedene Vorstellungsrunden bereiten dann den Boden für die gemeinsame Arbeit und schließlich sucht sich der Klient für jeden an seinem Thema Beteiligten einen Menschen aus, der für diesen stehen soll – auch für sich selbst, als „Alter Ego“.

Zu den Therapeuten kommen Einzelpersonen und Familien, aber auch Menschen, bei denen beruflich „Sand im Getriebe ist“. Um mit ihren Klienten zu arbeiten, haben die Therapeuten ganz unterschiedliche Methoden im Repertoire. Ein Teil davon ist die Aufstellungsarbeit. Die kann entweder in einer Gruppe stattfinden – aber genauso auch mit Figuren oder sogenannten Bodenankern. Ganz egal, welche Art der Familienaufstellung die Therapeuten mit ihren Klienten wählen, sie schätzen an dieser Methode, dass hierbei allen Beteiligten klar wird, wer an welchem Platz in der Familie steht oder ob es Verbindungen oder Aufträge gibt, die so ohne weiteres gar nicht sichtbar geworden wären. „Wenn es um Kinder oder Jugendliche geht, arbeiten zunächst die Eltern mit uns und eventuell kommen die Kinder später dazu“, sagt Randolf Hummel und berichtet, wie eine Arbeit mit der gesamten Familie aussehen kann: „Jeder stellt Figuren stellvertretend für alle in der Familie auf –zunächst nur für sich, jeder in einer anderen Ecke des Raumes.“

Wichtig ist, dass alle vorher wüssten: „Sie können da gar nichts falsch machen.“ Schließlich gehe es um das Bild eines jeden Einzelnen. Als Stellvertreter dienen hier entweder Holzskulpturen oder, das ist vor allem bei Kindern beliebt, Spielfiguren.An eine Familie mit drei Kindern, bei der ein Kind Krebs hatte, kann sich das Ehepaar Hummel besonders gut erinnern. Es gab dort Stress in der Partnerschaft und in der ganzen Familie. Eines der Kinder hat den Krebs dann als extra gefährlichen Flugsaurier dargestellt, der seine bedrohlichen Kreise über der ganzen Familie gezogen hat. „Das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit kann dann mehr Ruhe einkehren lassen im gesamten System“, berichtet Randolf Hummel. Es sei bei allen Beteiligten klar geworden: „So ist es. Die Krankheit ist lebensbedrohlich. Es ist schwer für alle. Auch für die anderen Kinder.“ Man hätte beraten, was jeder Einzelne beitragen könne, dass die Familie nicht zerbricht. „Das brachte ganz viel Entlastung für alle.“ Allein durch das Sehen dieses Bildes, geführt durch die Fragen der Therapeuten, könne sich nach Einschätzung der erfahrenen Therapeuten viel verändern. Randolf Hummel hat 1993 seine Ausbildung am Systemischen Institut in Stuttgart begonnen und sich anschließend selbstständig gemacht. Er hat auch das Bodensee-Institut gegründet, wo er als Lehrtherapeut tätig ist.

Dort lassen sich auch Sozialpädagogen, Ärzte und Psychologen berufsbegleitend in systemischer Therapie und Beratung ausbilden.An der systemischen Arbeit schätzt Randolf Hummel besonders: „Das bietet ganz andere Möglichkeiten, als zu reden.“ Und seine Frau findet die Methode schlicht und einfach „lebenspraktisch“. Und: „Das hat nichts mit Hexerei zu tun.“ Kinder, die beispielsweise aus irgendeinem Grunde zu viel Verantwortung übernehmen müssten, seien bei einem Anfangsbild in ihrer Familienaufstellung nicht am richtigen Platz. Eine solche Belastung ist für Kinder auf Dauer nicht gut und durch diese therapeutische Methode erkennbar. Ziel ist es dann, durch Fragen im Gespräch den richtigen Platz für das, manchmal auch schon erwachsene, Kind zu finden und den in einem Schlussbild, bei dem jedes Familienmitglied einen guten Platz einnimmt, darzustellen. Waltraud Paulik-Hummel sagt: „Gut ist auch, wenn der Betroffene dann merkt: Die Mutter steht hinter mir und stärkt mir den Rücken.“  

Auch die Arbeit mit sogenannten Bodenankern bietet alle diese Möglichkeiten für Klienten. Hier legen sie im ganzen Raum verteilt bunte Kunststoff-Platten auf den Boden, die jeweils für ein Familienmitglied oder etwas anderes Wichtiges steht, das zum Gesamtthema gehört. „Die Einkerbung zeigt die Blickrichtung der jeweiligen Person“, erklärt Randolf Hummel. Und indem sich der Klient nach dem Auslegen zunächst auf die Platte stellt, die für ihn dort liegt, „kann er sich einfühlen in das System.“ Anschließend habe er die Möglichkeit, sich auf die anderen Bodenanker zu stellen und könne dadurch spüren, wie es den anderen Beteiligten dort geht und ob auch sie am richtigen Platz stehen. „Kann sich ein Paar beispielsweise gar nicht sehen, dann wird in der gemeinsamen Arbeit auch deutlich, woran das liegen könnte und wie es sich ändern lassen kann.“  Um eine Lösung für ihr Thema zu erarbeiten, kommen Menschen aller Altersgruppen zu den Therapeuten. An ein Paar jedoch kann sich Hummel besonders gut erinnern: „Beim ältesten Paar, das bei uns gemeinsam eine Familienaufstellung gemacht hat, war er 84 und sie 75 Jahre alt.“   Manchmal geht es auch darum, dass die Familie nicht zerbricht