Foto: Kanu-Club

Nach intensiven Vorbereitungen sind die Teilnehmer auf insgesamt vier Flüssen unterwegs gewesen.

Marbach - Marbach
Spannend und abenteuerlich mutete sich die Vier-Flüsse-Tour durch Nordpolen an: Wanderwart Helmut Klein vom Kanu-Club Marbach nahm – nach intensiven Vorbereitungen und gründlichen Recherchen – insgesamt neun erfahrene Wanderpaddler mit auf die alljährliche Vollgepäckstour, dieses Mal quer durch Nordpolen.

Eine sprachkundliche Vorbereitung durften wir mit unseren polnischen Freunden Halina, Riszard, Robert und Siegrid in Anspruch nehmen, die uns dann auch bei kniffligen Vermittlungen telefonisch weiterhalfen. So starteten wir also am 29. Mai mit drei Autos und Bootsanhänger in Richtung Polen. Nach zweitägiger Anfahrt setzten wir unsere Boote – vollgepackt mit Zeltmaterial, Kochgeschirr, Kleidung, Lebensmitteln und viel Trinkwasser – in Serpelice am Bug ein, etwa 50 Kilometer entfernt von der weißrussischen Grenze.

Dort konnten wir auch für die nächsten 17 Paddeltage an der Pension in einem Waldfamilienferiendorf, in der wir übernachtet hatten, unsere Autos stehen lassen. Der Bug entspringt in der Ukraine, ist dann Grenzfluss und darf erst ab polnischem Gebiet befahren werden. Er strömt sehr schnell, kräftiger Wind und hohe Wellen, auch Regen forderten gleich in den ersten Tagen unser Konditions- und Durchhaltevermögen. Die erste Schlüsselstelle erreichten wir am gigantischen Kraftwerk bei Brok. Wir mussten die schweren Wanderboote mühsam und sehr kräfteraubend einen Kilometer umtragen. Am abendlichen Lagerfeuer ruhten wir aus und krochen dann nach Sonnenuntergang sehr müde ins Zelt, um frühmorgens wieder startbereit zu sein.

Geeignete Biwakplätze zum Übernachten wurden von Helmut Klein per Satelliten-Fotos schon in der Vorbereitungsphase ausgespäht, meist in der Nähe eines Dorfes, um Frischwasser und Lebensmittel zu bekommen. Uferpfade der Angler, die am Bug sehr zahlreich und versteckt zwischen Büschen saßen, ermöglichten bescheidene Anlege- und Ausstiege. Nach 192 Kilometern mündet der Bug in den Zstzunskie-Stausee der Narew, eine weitere Schlüsselstelle, die Helmut Klein bei der Befahrung vor fünf Jahren durch schwere Gewitter, Starkwind mit hohen Wellen großen Respekt einflößte und zur Notbiwakierung zwang. Diesmal war es sonnig und warm und windstill und die Querung des Stausees gelang ohne Schwierigkeiten. Sehr eindrucksvoll ist dann die Mündung der Narew in die Weichsel. Mächtig breit, schnellfließend mit vielen Inseln und Sandbänken, mit einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt mäandert der riesige Naturfluss in Richtung Ostsee. In Plock mussten wir uns leider von Simon verabschieden, dessen Urlaub zu Ende war. Nach baden und waschen im Fluss genossen wir beim Ruderverein in Plock wieder eine Dusche und Zimmerübernachtung, denn am nächsten Tag erwartete uns eine sehr anstrengende Etappe auf der Weichsel, die zum Stausee anschwoll und bis zu vier Kilometer breit wurde, bevor die mächtige Staumauer bei Wloctawek den Fluss abriegelt.

Nach einer Übernachtung auf der Zeltwiese eines Segelclubs querten wir in den frühen Morgenstunden vor der Staumauer eine weitere gefährliche Schlüsselstelle- auf die andere Seite, wo sich die Schleuse befand. Die Schleusung wurde uns erst nach telefonischen Verhandlungen zwischen der Wasserwacht, dem Schleusenwärter, der Polizei und unseren polnischen Freunden in Deutschland genehmigt, denn eine Umtragung wäre völlig unmöglich gewesen. Sehr erleichtert führte uns nun die Weichsel gen Norden, vorbei an den großen Städten mit ihren Ziegelprachtbauten der Deutsch-Ordensritter wie Thorn, Bromberg, Graudenz, Neuenburg und viele mehr. Kurz bevor die Weichsel in Richtung Danzig biegt, ihr Hauptfluss aber in der Danziger Bucht in die Ostsee mündet, bildet sie einen Nebenfluss namens Nogat, durch zwei Schleusen bis Marienburg getrennt. Wunderbar bewachsen mit Uferschilf, Seeanemonen und Seerosen, glitten wir unserem Ziel entgegen: Marienburg – ausgezeichnet mit dem Siegel des Unesco-Weltkulturerbes.

Angekommen fielen wir uns nach 610  Kilometern gesund, unverletzt, freudestrahlend in die Arme und in der gleichen Nacht machten sich die Autofahrer Helmut Klein und Frank Horny mit dem Zug auf die Reise zurück zur Waldpension am Bug, um die Autos und den Busanhänger nach Marienburg zu bringen. Doch die Sehenswürdigkeiten Nordpolens ließen uns nicht so schnell los. Und natürlich wollten wir noch die Bernsteinstadt Danzig besichtigen, Frauenburg und im Ermland den berühmten oberländischen Kanal bei Elbing, alles absolut sehenswert. Dann an der Ostsee die riesige Wanderdüne von Leba, an der Ostsee entlang mit der Fähre über Swinemünde nach Ahlbek und Heringsdorf, Usedom und Uckermünde Richtung Berlin Scharmützelsee – und wieder nach Hause zum Kanu-Club Marbach, wo wir am 21. Juni nach einer großartigen Reise und Paddeltor gesund und voller abenteuerlicher Erlebnisse ankamen. Anerkennung und Dank sei gesagt unserem Wanderwart Helmut Klein.