Rund 80 Interessierte sind in den Schlosskeller gekommen. Foto: Verein gentechnikfreie Landkreise

Verein gentechnikfreie Landkreise Ludwigsburg/Rems-Murr:
Ein Vortrag der besonderen Art hat im Schlosskeller stattgefunden.

Marbach - Marbach
Der Verein gentechnikfreie Landkreise Ludwigsburg/Rems-Murr hat kürzlich mehr als 80 Bürger im Marbacher Schlosskeller zu einem Vortrag der besonderen Art begrüßt: Es war wohl auch für Marbach ein Novum, dass zwei 14-jährige Schüler einen Vortrag zu einem der zurzeit wohl umstrittensten Politikfelder in der EU halten. Fazit: Die beiden Mitglieder vom Greenteam Schwabenpower aus Leonberg überzeugten durch ihre Sachkenntnis, durch Wortwitz und Einspielung wichtiger kurzer Erklärvideos.

Nach den Demonstrationen 2014 und 2015 unter dem Motto „Stoppt TTIP und CETA – für einen gerechten Welthandel“ lag es unserem Verein am Herzen, einen Überblick über den neuen Stand bezüglich TTIP und CETA zu geben. Und das in einer Zeit, in der zivilgesellschaftliche Organisationen dafür sorgen, dass geheim gehaltene Papiere an die Öffentlichkeit kommen, während Regierungen diese und andere Gutachten zurückhalten.

Nils Körner hat den Anwesenden zunächst einmal die Begrifflichkeiten TTIP, CETA, TiSA, NAFTA erklärt, bevor er auf die bereits widerlegten Versprechen der TTIP-Befürworter einging. Nicht Wachstum, sondern Abbau von 600 000 Arbeitsplätzen europaweit ist angesagt. „TTIP ist menschenverachtend, denn dadurch werden neue Flüchtlingsströme erzeugt.“ Der Referent führte mit einer passenden Karikatur in das besonders brisante Thema „private Schiedsgerichte“: „Es ergibt wenig Sinn, gegen den Teufel vor Gericht zu ziehen, wenn das Verfahren in der Hölle stattfindet“. Beispiele aus vielen Staaten der Welt untermauerten diese These. So verklagt der US-amerikanische Zigarettenkonzern Philip Morris Australien auf fünf Milliarden Dollar wegen diskriminierender Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Vattenfall verklagt Deutschland wegen des Atomausstieges und entgangenen Gewinnen auf 4,7 Milliarden Euro.

Nils Körner berichtete über die Auswirkungen auf uns Bürger: Das Vorsorgeprinzip steht auf dem Spiel, die Energiewende wäre gefährdet, der Abbau von Arbeits- und Sozialrechten wird vereinfacht, das US-Patentrecht wird auch in der EU verbindlich.

Zur Einordnung der gesellschaftlichen Brisanz eines Handelsabkommens wie TTIP und CETA stellten die beiden Referenten die Auswirkungen des bereits bestehenden Abkommens NAFTA zwischen USA und Mexiko dar. Die Landwirte, Kleinbauern im Mutterland des Maisanbaus müssen sich an den Vorschriften gewinnorientierter Konzerne aus Amerika wie Cargill, Monsanto oder Bayer halten. Insgesamt sind bisher in Mexiko und USA 750 000 Arbeitsplätze vernichtet worden.

Nach all den niederschmetternden Fakten „beackerten“ die Referenten das für uns so wichtige Feld „Was gilt es zu tun?“ Getreu dem Motto „Wählen allein reicht nicht – empört euch, engagiert euch“ informierten die beiden über die wichtigsten Initiativen der Zivilgesellschaft gegen TTIP und CETA. Hierbei ging es um die Initiative „Verfassungsbeschwerde Nein zu CETA“ von Campact, foodwatch und Mehr Demokratie e. V. ebenso wie um die auch in Vorbereitung befindliche Bürgerklage gegen CETA von Marianne Grimmenstein.

Zum Schluss des Vortrages wurde die Verankerung von verbindlichen bundesweiten Volksabstimmungen betont. 70 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes fordern Millionen Bürger hier anlässlich gravierender gesellschaftliche Veränderungen eine grundgesetzliche Verankerung. Derzeit blockiert die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und in der Regierung eine solche Initiative. Viele Zuhörer gingen nach Hause mit dem Gefühl „wir müssen uns noch mehr einmischen – wir müssen den politischen Druck auch dieses Jahr auf die Straße tragen und die verantwortlichen Politiker aus den Fängen der Lobbyisten großer national wie global agierender Konzerne befreien“.

Zum Schluss konnten wir den beiden Referenten nur ein ganz herzliches Dankeschön aussprechen. Trotz eines vollen Stundenplanes haben sich die beiden zu wahren Experten für diese Thematik entwickelt. Schade, dass nur wenige Lehrer und Schüler der Marbacher Schulen der Einladung gefolgt waren. So konnten sie die aufrüttelnden Worte ihrer Mitschüler aus Leonberg nicht hören. Unser Verein hat dennoch die Hoffnung, dass eben dieses Thema auch zum Gegenstand des Unterrichts gemacht wird. Denn eins ist an diesem Abend deutlich geworden: Diese Abkommen gefährden nicht nur die Umwelt. Sie vernichten Arbeitsplätze im Mittelstand und Handwerk, die dringend für die kommenden Generationen benötigt werden. Sie entdemokratisieren unsere Gesellschaft in den Kommunen, Städten und im ganzen Land. Viele Zuhörer gingen mit dem Gefühl im Bauch aus dem Schlosskeller: „Mischen wir uns ein, bevor CETA und TTIP in Brüssel, Washington und Berlin wo möglich ohne Beteiligung der Parlamente durchgeboxt wird.“