Äußerlich geben sich die Herren von Hiss düster. Foto: Frank Wittmer

Hiss begeistert im ausverkauften Schlosskeller mit flotten Polkas und Seemanns-liedern.

Marbach - Wo ist all die Schwermut hin? Im Alter wird man ja bekanntlich weise, Stefan Hiss und seine Jungs werden wohl eher milde. „Wir wurden all die Jahre von unserer Plattenfirma zu dieser Nachdenklichkeits-Sch . . . gezwungen“, so der charismatische Akkordeonspieler und Sänger am Freitagabend im ausverkauften Schlosskeller.

Flotte Polkas und schwungvolle Seemannslieder stehen auf dem Programm. Von Sansibar bis Santa Fe waren die Jungs schon viel unterwegs, haben die Tanzböden und die Herzen mit Rhythmus und Liebe gefüllt. Das fast durchweg gesetztere Publikum im Schlosskeller bleibt lieber auf den 99 Stühlen sitzen. „Welcher Tanz ist für diese Formation gesetzlich eigentlich erlaubt?“, fragt „Hannibal Hiss“ zwischendurch. Was liegt bei Schifferklavier und Shanties nahe? Richtig: „Das Schunkeln!“

Sie haben alles erreicht und müssen nichts mehr beweisen. Trotzdem gehen Hiss immer wieder auf Reisen zu „gefährlichen Orten“ wie dem Marbacher Schlosskeller. Am Freitagabend legte der Trawler am Neckarstrand an, und „weit weg von der Heimat“ gab es Weltmusik zu hören.

Polka’n‘Roll, Karpatenrock, ein wenig Reggae, Jazz, Country bis hin mexikanischer Fiesta – bei Hiss bekommt man mehr als man vermutet. Äußerlich geben sich die Herren düster – Lieblingsfarbe grau bis schwarz – singen gern vom Tod, unglücklicher Liebe und der Mühsal des Alltags. So sehen sie auch aus: Bassist Volker Schuh, der große Graue mit den roten Schuhen, könnte mit Wuschelhaar und Backenbart als leicht gealterte Version von Logan aus „Wolverine“ durchgehen, der langhaarige Michael Roth hat mehr Mundharmonikas als Jennifer Lawrence Pfeile im Köcher, Thomas Grollmus würde im weißen Umhang einen guten Hobbit-Zauberer abgeben, weiß aber besser auf Gitarren und Mandolinen zu zaubern, und Stefan Hiss selber geht „auch schon auf die 40 zu“.

Schlagzeuger Bernd Öhlenschläger gibt der Combo einen dynamischen Groove. Sie tanzen wie die jungen Götter. „Das haben wir von den besten gelernt“, so Hiss beinahe atemlos hinterher.

Mit dem Alter kommt die Einsicht, dass „heutige Musiker keine Drogen brauchen“. Das Publikum fällt beim Charaktertest allerdings durch, weil es beim „geschroteten Müsli“ lacht. „So ein paar Gesundheitstipps könntet ihr schon annehmen.“ Man wirke nur äußerlich sympathisch, gibt Stefan Hiss dem frisch gewonnenen guten Eindruck gleich wieder einen Dämpfer. „Aber wir wollen zumindest sowas wie Einfühlungsvermögen vortäuschen.“

Der geläuterte männliche Blick auf die Welt spendet Trost und kommt auch beim weiblichen Publikum gut an. „Ich habe das Konzert zum Geburtstag von meinem Mann geschenkt bekommen“, sagt eine Dame. „Ich wusste bis vor die Türe des Schlosskellers nicht, wohin es geht. Ich finde Hiss aber total klasse, die machen echt gute Stimmung.“

Durchaus sensibel merkt die Band, dass die schwungvollen Songs ankommen. „Noch ‘ne Polka“, heißt das Motto.