Ulla Meinecke war zum ersten Mal in Marbach. Foto: Werner Kuhnle

Die Sängerin Ulla Meinecke ist am Samstagabend zum ersten Mal in der Schillerstadt aufgetreten. Den Besuchern im Schlosskeller hat’s gefallen.

Marbach - Ein zuvor noch nie gesehener Gast hat sich am Samstag in den Schlosskeller – man möchte fast sagen – verirrt. Denn Ulla Meinecke ist im Schwabenland nicht allzu oft zu sehen. Warum das so ist, darüber lässt sich spekulieren. Fakt ist, die resolute Chanson-Diva zeigte sich bei ihrem ersten Marbach-Konzert nicht allzu offen dafür, befragt zu werden. Es scheint, als wolle sie einfach nur da sein und singen. Eintauchen in ihre Welt als sensible Spaziergängerin durch die diversen Schichten des Daseins. Lebenserprobte Liedtexte, die eine berührende Tiefsinnigkeit, aber auch erschütternde Realität offenbaren, sind ihren Liedern zu eigen.Geradezu geheimnisvoll mutet die Sängerin an, wenn sie auf der Bühne steht und ihre tiefrauchige, wirkungsvolle Stimme präsentiert, die im Erzählmodus weicher und nahbarer wirkt als in der gesungenen Form – mit den beeindruckenden Liedtexten im Paket. Mit nachdenklicher Ironie durchtränkt erzeugen sie auch im Schlosskeller eine verdichtete Atmosphäre des Hinterfragens und Nachdenkens. Von „unserer gemütlichen kleinen Zusammenkunft“, spricht Meinecke zu ihrem Publikum und würdigt damit vielleicht auch den Umstand, dass sie hier in Marbach vor lediglich rund 100 Leuten, statt wie normalerweise vor einem großen Publikum singt.Das zwischen den Liedern gezeigte Lächeln Meineckes täuscht nicht darüber hinweg, dass sich ein gestrenger, überdrüssig wirkender Zug um die Mundwinkel herum eingegraben hat. Streng wirkt sie hier und da auch bei ihren Rückmeldungen. Sie wolle nicht so viel fotografiert werden, lässt sie durchblicken, und schon gar nicht um die Bühne herum. Das stört vermutlich ihre Konzentration. Denn die Sängerin, deren gesangliche Gestaltung von Cross-over-Elementen und poppigen wie auch jazzigen Einsprengseln lebt, ist ganz bei sich, wenn sie singt.

„Wenn zwei zueinander passen, was würdest Du dafür geben?“, lautet denn auch eine Textzeile ihres ersten Songs. Die Frage hat irgendwie einladenden Charakter. Denn für diesen einen Abend sollen auch diese zwei, also Sängerin und Publikum, eine ideale Symbiose ergeben. Dem Publikum ist es diese Zweisamkeit allemal wert: Es folgt den anspruchsvollen Liedern in aufmerksamer, geneigter Weise und lässt sich von der rauen, vom Leben gezeichneten Stimme Meineckes, die zwischen den Zeilen so viel Sehnsucht ausdrückt, einfangen.

Ulla Meinecke aber brilliert nicht nur durch ihre außergewöhnliche Stimme und die signifikante Textphilosophie – sie hat mit Reinmar Henschke und Ingo York auch zwei brillante Mitstreiter auf der Bühne, die ihr Handwerk bestens verstehen und dem gesamten Arrangement viel Zauber geben. Henschkes Tastenspiel etwa befeuert den Gitarristen York, der wiederum durch eine bestechend kreative und sinnlich geprägte Handhabung seiner Saiten auffällt. York, der zwischen Bass-Gitarre und E-Gitarre souverän wechselt und beidfüßig mit Bass- und Snare-Drum den Rhythmus betont, gönnt den Zuhörern mitunter auch beglückende Soli und fantastisch lustvoll gespielte Bassläufe. Henschke bedient zusätzlich zum Keyboard mit dem Fuß die Hi-Hat-Becken und lässt seinen Händen freien, virtuosen Lauf, der sich gefühlvoll in die Lieder einwebt.

Ulla Meinecke ist eine Frau der klaren Ansage. Mit kritisch-spöttischen Geschichten oder gar komplett ernüchternd führt sie in ihre Songs ein. Meist melancholisch-akzentuiert gesprochen; manchmal aber wirken ihre Worte wie Wurfgeschosse. Etwa, wenn sie die jüngere Generation im Visier hat. Da sei der 30. Geburtstag schon fast ein Nahtod-Erlebnis. Spricht’s und beginnt dann mit ihrem Song „Zu alt“. Dabei zählt Meinecke zynisch auf, für was sie angeblich zu alt ist und schockiert mit Sätzen wie etwa: „Mit mir zu reden, ist wie Nekrophilie“.