Die Schüler erhalten das Tagebuch der Anne Frank. Foto: Werner Kuhnle

Die Fünftklässler der Anne-Frank-Realschule in Marbach haben das Tagebuch der ermordeten Jüdin überreicht bekommen. Es dient dem friedlichen Miteinander.

Marbach - Dieses Buch soll dich auf deinem Weg in dieser Schule begleiten“, lesen Fünftklässler gemeinsam stehend in der bestuhlten Aula. Rund 70 Realschüler haben am Dienstagabend im Rahmen einer Gedenkfeier das Tagebuch mit dem berühmten Foto des lächelnden jüdischen Mädchens Anne Frank auf dem Cover erhalten. Das gleiche Foto der Namensgeberin der Schule in Großformat sehen die versammelten Eltern, Schüler und Lehrer auf einem Banner vor einem schwarzen Hintergrund. „. . . weil ich noch stets an das Gute im Menschen glaube“, liest man darunter. Anne Franks Zitat findet man auch im Buch, welches jährlich den Fünftklässlern feierlich überreicht wird.

„Wir leben diesen Namen“, erklärt die Schulleiterin Monika Mayer-Schumacher zum Festauftakt. Anne Frank habe eine schlimme Zeiterfahrung machen müssen, die Veröffentlichung der Einträge soll daran erinnern. Aber vor allem stehe die Jüdin für Menschlichkeit, Fairness und Wertschätzung. Die Realschule möchte mit der jährlichen Gedenkfeier um den Geburtstag Anne Franks am 12. Juni zu bedenken geben, dass die Verfolgung und Ermordung von Menschen auf Grund von Vorurteilen nicht mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgehört hat, sondern dies bis in die Gegenwart immer wieder vorkommt.

Ein besonderer Gast sitzt in der ersten Reihe. Die 83-jährige Yvonne Koch war zur selben Zeit wie Anne Frank im KZ in Bergen-Belsen und folgt seit einigen Jahren der Einladung der Schule.

„Im März 1945 ist sie mit 15 Jahren im KZ gestorben“, erinnert der Lehrer Marcel Strack. Man wolle keine laute Geburtstagsparty feiern. Die Fünftklässler sollten ruhig und aufmerksam folgen, was die Neuntklässler Laura, Gina, Torben und Lara vorbereitet haben. Tatsächlich ist es mucksmäuschenstill, als Laura Auszüge aus dem Buch zu lesen beginnt. „In der Schule musste sie Aufsätze über sich als unverbesserliche Schwatzliese schreiben“, erfährt man über die Zeit vor der Judenverfolgung im Dritten Reich. Sie habe mit 13 ein Tagebuch bekommen, in dem sie notierte, was sie erlebte und berührte. In kurzen Auszügen lesen die Schüler darüber, wie Anne Frank es empfand, zwei Jahre in einem Versteck leben zu müssen. Wie sie dort den „Zug zum Tod“ anderer Juden erlebte. Aber auch, dass sie ein ganz normaler Teenager war, mit einem Freund namens Peter und Träumen. In ihrem Tagebuch sprach sie sich immer wieder Mut zu und wollte im Leben etwas bewegen.

Was sie nicht mehr direkt konnte, soll ihr Tagebuch bewirken. „Man prügelt heute viel zu leicht aufeinander ein“, erklärt Strack nach der Lesung, so erlebe man aktuell die Aggressionen unter Fußballfans. „Ihr seid die Zukunft“, wendet sich Strack an die Schüler, man strebe an der Schule ein friedliches Miteinander an. Ehrengast Yvonne Koch besucht am Folgetag die neunte Klassenstufe, um von ihrer Zeit in Bergen-Belsen zu berichten. „Die schlechteste Demokratie ist besser als diese Zeit damals“, erklärt sie nach der Feier.