Frau Nägele ist ein fröhlich-schrulliges Urgestein. Foto: avanti

Frau Nägele hat das Publikum im Schlosskeller zum Schmunzeln gebracht.

Marbach - Frau Nägele weiß es ganz genau. Dass der „überzwerche“ Mesmer ein Sündenbüchle geführt hat und die „Nähere“, also die Näherin, „ratschet und batschet und jedes Gwätz wois“. Letztere habe ihr das elegante braune Wollkostüm genäht, damit sie fein genug angezogen sei für den niveauvollen Samstagabend. Luftig leicht schwatzt und singt sie weiter über den Scherenschleifer, die „Alde uff m Bänkle“ vorm Haus oder vom „ohverschemden Brief ans Finanzamt“. Sie habe, damit den Programmtitel „Frau Nägele macht Blau“ alle verstehen würden, den blauen Vorhang für den Hintergrund mitgebracht, erklärt sie in leichtfüßiger Art. Schon der erste wackelige Antritt des fröhlich-schrulligen Urgesteins bringt die rund 90 Gäste im voll besetzten Schlosskeller zum Lachen.

Als habe sie noch nie was anderes gemacht, rezitiert sie herrlich komisch Geschichten, Lieder, Erinnerungen und Gedichte von Sebastian Blau. Josef Eberle (1901-1986) hieß der Schwabe im echten Leben und war Poet, Publizist und Mundartdichter. Außerdem Herausgeber der Stuttgarter Zeitung. In unsterblichen Gedichten wie „Dr Gsangverei“, „ D’ Nähere“ oder „Dr Scheraschleifer“ hatte er süddeutsche Charakterköpfe mit Augenzwinkern dargestellt. Es sei „schees“ Schwäbisch, erklärt Frau Nägele, nämlich das aus „Raudaburg vom Neckar“. Der eigentümliche urschwäbische Dialekt ist für das Publikum an manchen Stellen eine Herausforderung. „Ich hab nicht alles verstanden“, erklärt eine Zuschauerin. Trotzdem würde sie sich köstlich amüsieren über die Szenen wie aus dem wahren Leben gegriffen. Ältere Zuschauer nicken zustimmend bei alten Ausdrücke wie dem herben „Komsibeidl“ oder das „Topfeln“ als früheres Kinderspiel.

Authentisch und knitz, wie der Schwabe sagen würde, stellt Helga Becker Frau Nägele, die „Putzfrau vom Archiv“, dar. In ihrem Kabarettprogramm findet die Schwäbin stets treffende Worte und herrlich überzeichnete Gesten. Als Schwäbin kennt sie die „Schwobamedla“ und Lehrer vom alten Schlag aus eigener Erfahrung. Wenn sie nicht auf der Bühne blödelt, arbeitet Helga Becker als Stadtarchivarin und Heimatpflegerin in Steinheim. „Ich hab dr Misiö aus Frankreich bitbroch“, stellt Frau Nägele ihren musikalischen Begleiter am Keyboard vor. ,,Monsieur Gerard“ heißt eigentlich Gerhard Weisshaupt, ist Exil-Franzose, Philosoph und Musiker mit Wurzeln im Bottwartal. Mit „Rappmusik“, „tauend Knepf“ am Fahrkartenautomaten oder der neumodischen „Tablete“ fürs Internet schlägt Frau Nägele eine Brücke von altem zu neuem Leben. Auch ihr Auftritt im knallroten Kleid und ihr witziges Gschwätz über schwäbische Erotik hat das Publikum köstlich amüsiert.