Ein Mitarbeiter des Auktionshauses Eppli hält den lange Zeit verschollen geglaubten Schillerbrief in den Händen. Foto: dpa

Das Schriftstück von Friedrich Schiller soll im November bei einer Benefizauktion versteigert werden.

Marbach/Stuttgart - Manchmal weiß man gar nicht, welche Schätze zu Hause lagern. So ging es auch einer Stuttgarterin, die im Nachlass ihres Mannes, der ein begeisterter Sammler war, einen Brief mit der Kennzeichnung „Fr. v. Schiller“ entdeckte. Für sie war klar: Das ist ein Schreiben von Frau von Schiller. Die Experten des Stuttgarter Auktionshauses Eppli, denen sie den alten Brief zeigte, kamen jedoch zu einem ganz anderen Schluss: Das Fr. steht nicht für „Frau“, sondern für „Friedrich“. Und da ihr Verdacht einmal geweckt war, kontaktierten sie Helmuth Mojem vom Deutschen Literaturarchiv (DLA) in Marbach, der nach gründlicher Untersuchung die Echtheit des Briefes bestätigte: „Die Handschrift ist eindeutig die Schillers, was man allgemein am Schriftduktus, aber auch beim Vergleich verschiedener Wörter oder auch Einzelbuchstaben mit solchen aus anderen, gleichzeitigen Briefen Schillers erkennen kann“, sagte Mojem gestern bei einer Pressekonferenz in Stuttgart. „Ich habe keinen Zweifel an der Echtheit des Schreibens.“ Auch das Papier sei das übliche leicht vergilbte, gerippte, wobei es allerdings ein anderes Wasserzeichen aufweise als die übrigen Briefe Schillers aus der Zeit.

Damit ist das Schreiben, das der Marbacher Dichterfürst anno 1794 an seinen Freund Christian Gottfried Körner richtete, nach fast 70 Jahren in der Versenkung wieder aufgetaucht. Bislang war nur bekannt, so Mojem, dass der Autograph 1951 bei der Firma Ernst Hauswedel in Hamburg versteigert worden war. Nun wird klar, dass er möglicherweise die ganze Zeit oder zumindest die vergangenen Jahre gut geschützt in einem Stuttgarter Tresor gelegen hat. „Das ist eine kleine Sensation, so etwas in die Hand zu bekommen“, sagte Ferdinand Eppli.

Auch Mojem bezeichnete den Brief als etwas Besonderes. Der Inhalt sei zwar schon seit längerem bekannt und auch im Nationalausgabeband von 1992 veröffentlicht worden. Doch: „Es ist ein schöner, inhaltsreicher Brief mit einem starken Stuttgart-Bezug; es hat mich gefreut, ihn kennenzulernen.“ Schiller habe den Brief verfasst, führte der Fachmann weiter aus, nachdem er 1793 erstmals nach seiner Flucht wieder in die schwäbische Heimat zurückgekehrt sei.

Und was steht nun drin in dem Brief? Schiller lobt unter anderem, dass „hier in Stuttgardt gute Köpfe aller Art und Handthierung sich zusammenfinden .  . . Die Künste blühen hier in einem für das südliche Deutschland nicht gewöhnlichen Grade und die Zahl der Künstler . . . hat den Geschmack an Mahlerey, Bildhauerey und Musik sehr verfeinert“, schreibt der Dichter in seiner laut Mojem „sehr ausdrucksstarken, kräftigen Handschrift“ und erweist sich dabei, anders als in seinen Werken, in denen er manchmal etwas durchgeistigt erscheint, als „ein lebenspraktischer, vernünftiger, kluger, sympathischer Mann“, so der Schiller-Experte.

Dass der Brief nun wieder aufgetaucht ist, hängt mit einer Benefizauktion zugunsten der Stiftung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg zusammen. Diese findet am 23. und 24. November statt. Um das zehnjährige Jubiläum der Stiftung zu feiern, wurde im April bereits dazu aufgerufen, Gegenstände einzuliefern, „die eine gewisse Wertigkeit darstellen“, so Helmut Liebs von der Landeskirchenstiftung. Dabei kann jeder bestimmen, ob er das Geld aus der Auktion, die auch im Internet live verfolgt werden kann, selbst behalten oder zu einem frei festlegbaren Teil spenden möchte. Die Spenden gehen nach Abzug der nur zur Hälfte angesetzten Auktionsgebühren zu gleichen Teilen an die Stiftung der Landeskirche und die Stiftung Saut Kuu von Auma Obama, der Schwester des Ex-US-Präsidenten.

Angesetzt ist der Brief mit 15 000 Euro, Ferdinand Eppli schätzt, dass er letzten Endes „zwischen 20 000 und 25 000 Euro bringen wird, obwohl man nie weiß, was bei einer Auktion passiert.“ Auch das DLA wird versuchen, den Autographen zu erwerben, so Mojem, doch: „Ob’s reicht, wird man sehen – aus unserem normalen Etat können wir das nicht finanzieren.“ Aus diesem Grund sieht er auch den Pressewirbel mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „So etwas treibt im allgemeinen den Wert in die Höhe; aber vielleicht findet sich dadurch ja auch jemand, der uns beim Erwerb unterstützt.“