Foto: Fenja Sommer

Melanie Schwesing schreibt ihre Masterarbeit über die alte Chorverglasung der Alexanderkirche. Dabei beschäftigt sie sich auch mit der Frage, wie es mit den Objekten weitergehen könnte.

Marbach/Stuttgart - Hochkonzentriert steht die 27-jährige Melanie Schwesing an ihrem Arbeitsplatz in den Räumen der Werkstatt für Glasmalerei und Restaurierung Valentin Saile in Stuttgart. Vor der Studentin liegt ein Dreipass – drei nach außen weisende Kreisbögen mit jeweils gleichem Radius. Der Dreipass gehört zur alten Chorverglasung der Marbacher Alexanderkirche. Melanie Schwesing deutet auf weitere Glasscheiben. „Es sind die einzigen Felder, die es noch gibt.“ Nämlich besagter Dreipass sowie zwei kleine und zwei große Kopfscheiben. Bis 1997 waren sie im Ostfenster der Kirche zu sehen, wurden im Zuge der Renovierung aber ausgebaut. Seitdem wurde die Verglasung in einer Holzkiste im Dachraum des Gotteshauses verwahrt. Und im Rahmen ihrer Masterarbeit beschäftigt sich Melanie Schwesing jetzt damit. Studiert hat sie Konservierung und Restauration an der FH in Erfurt. Vermutlich sind die Felder von 1463, so die Studentin. In zwei weiteren Fenstern gibt es noch Barockverglasungen, jedoch nicht vom Gesamtchor. „Die ganze zeitliche Abfolge ist ein großes Fragezeichen.“ Viele Rätsel sind zu lösen. Einige von ihnen sind nicht ganz einfach zu beantworten. Aber: „Ich mag Herausforderungen.“

Die Arbeit selbst besteht aus drei Teilen: schriftliche Dokumentation, grafische Darstellung durch Kartierung von Schäden und vorgenommenen Maßnahmen sowie eine Fotodokumentation. Eine Frage, mit der sich Melanie Schwesing beschäftigt, ist die nach der weiteren Verwendung der alten Chorverglasung. Soll diese wieder eingebaut oder gelagert werden? Allerdings ist sich Schwesing in einem Punkt schon ziemlich sicher: „Ich sehe nicht, dass die Scheiben einen Einbau noch hergeben.“ Beispielsweise sind Farben auf dem Glas nicht mehr zu erkennen. Notwendig wäre daher eine starke Korrosionsausdünnung sowie die Reinigung. Gefahr besteht allerdings durch Malschichtverlust, und abgegangene Malschichten müssten deutlich ergänzt werden, erklärt Melanie Schwesing.

Die Frage nach der weiteren Verwendung der alten Chorverglasung eröffnet weitere Probleme. Die Verglasung sei sehr hoch oben, erklärt Schwesing. Momentan sei außerdem eine Blankverglasung eingesetzt. Werde diese durch die ursprüngliche Chorverglasung ersetzt, „sieht man von unten nur einen dunklen Fleck“. Daraus ergibt sich für Melanie Schwesing ein weiterer Faktor: „Der Wiedereinbau muss mit künstlerischer Gestaltung einhergehen.“ Auch sei eine Schutzverglasung notwendig, um neuerlicher Korrosion vorzubeugen. Und bei einer anderen Entscheidung: „Wenn man die alte Verglasung weiterlagert, kann man immer noch überlegen, ob man sie irgendwann wieder einbaut.“

Vorsichtig nimmt Schwesing den Dreipass in die Hand, während sie ihre ersten Erkenntnisse erläutert. Auf dem Glas sind geschwärzte Bereiche zu erkennen. „Auf der Rückseite sieht man die Korrosionskruste vom Glas“, sagt Schwesing. „Das sieht man leider oft“, bedauert sie. Es sei möglich, die Kruste auszudünnen. „Damit trägt man originale Glasbestandteile ab.“ Dadurch könne die Wertigkeit der Farbe herausgearbeitet werden. So eine Vorgehensweise müsse allerdings mit dem Denkmalamt abgestimmt werden. Auch stelle sich die Frage nach dem Grad des Abtrags. Außerdem ist es eine unebene Glasoberfläche, erklärt Schwesing eventuelle Probleme weiter. Beschädigt sind auch Teile der Bleifassung, in der die Glase eingebaut sind. Die Bleie müssen an einzelnen Punkten wieder verlötet, ausgerichtet und gegebenenfalls ergänzt werden. „Ich würde auch gerne die Kittkruste am Rand entfernen, weil sie Druck aufs Glas ausübt.“Herauszufinden ist zudem, von wann das Blei ist. Beim Dreipass ist das untere Blei aus dem Mittelalter, bei den kleineren Feldern jedoch neueren Ursprungs. „Das sind große Eingriffe“, stellt Schwesing fest. Es sei nicht sicher, ob die kleinen Fenster noch dem Originalzustand entsprechen. Kleine Hilfe leistet eine Aufzeichnung zu den fünf Maßwerksfeldern aus dem Jahr 1986. Das sei der einzige Abgleich, den sie machen könne, so Schwesing. „Es gibt ein paar Stellen, von denen es stark abweicht.“ Von daher könne es so sein, dass die Verglasung umgesetzt worden sei. „Möglicherweise stammen die Felder aus verschiedenen Fenstern und wurden im Ostfenster zusammengeführt.“

Die Bewältigung der Aufgabe macht ihr weniger Sorgen. „Es ist das, was ich mir für eine Masterarbeit gewünscht habe“, sagt Schwesing und zählt Faktoren auf, die sie als spannend erachtet: Es ist ein klassisches Thema wegen der Sicherung und Reinigung, wegen des Umgangs mit Korrosion und Fehlstellenergänzung, es hat einen Seltenheitswert und die Verglasung entstammt dem Mittelalter. Aufgrund der Grundausbildung bei der Firma Saile und während des Bachelorstudiums verfügt Melanie Schwesing über ein großes Wissen. „Ich kann jetzt alles zusammenfügen, was ich gelernt habe.“