Tobias Frühauf, Andreas Posthoff und Philipp Wolpert (von links) erinnern an schillernde, aber vergessene Literaten. Foto: Werner Kuhnle

Trotz der historischen Schauplätze und Akteure ist das Ein-Personen-Drama brandaktuell

Marbach - Eine Zeit, die die meisten nur noch aus Geschichtsbüchern kennen. Schriftsteller, die nur Spezialisten ein Begriff sein dürften: Das Stück „Vergessen – Literarische Lethe“ spielt größtenteils zwischen den Weltkriegen und gibt jenen Autoren eine Plattform, die die frühe Moderne geprägt haben. Trotz der historischen Schauplätze und Akteure ist das Ein-Personen-Drama brandaktuell. Damals wie heute befinde man sich in einer Phase der politischen Extreme, erklärt Tobias Frühauf, aus dessen Feder das Stück stammt. „Dadurch, dass der Kaiser weg war, herrschte große Orientierungslosigkeit. Das ganze Obrigkeitsdenken innerhalb der Kunst wurde infrage gestellt und man suchte wie jetzt nach Inhalten“, ergänzt der Schauspieler Andreas Posthoff. Die Künstler seien damals dann für ihre Ideale eingestanden, sagt Tobias Frühauf. Das sei letztlich auch die Kernaussage des Stücks: welchen Wert es hat, Haltung zu bewahren, und wie wichtig es ist, Stellung zu beziehen.

Genau das sollte auch den Heranwachsenden vermittelt werden, denen „Vergessen – Literarische Lethe“ im Rahmen von Schulvorführungen bislang exklusiv gezeigt wurde. „Es geht an den Schulen darum, die Parallelen zu heute zu erkennen und auch wachzurütteln, damit man wieder dafür brennt, auch künstlerisch tätig zu sein“, betont Philipp Wolpert, der Regie führt – auch bei den beiden Aufführungen des Stücks im Schlosskeller im Rahmen der Marbacher Theaterfestspiele.

Bei der Gelegenheit wird das Ganze erstmals vor einem Publikum präsentiert, in dem wohl vornehmlich Erwachsene sitzen werden. Diese haben nach der Inszenierung wie sonst die jungen Zuschauer die Chance, Fragen an die drei Macher der Aufführung loszuwerden oder das Geschehene zu reflektieren. „Es ist bedauerlich, dass Diskussionsrunden nur an Schulen üblich sind. Dabei ist das Gespräch doch schlussendlich nicht nur Kommunikation, sondern Ideenaustausch“, sagt Posthoff.

Der freiberufliche Schauspieler wird bei „Vergessen – Literarische Lethe“ in die Rolle des fiktiven Verlegers Kasimir Kranz schlüpfen. Im Laufe seines bewegten Lebens, das ihn unter anderem an die Weltkriegs-Front führt, begegnet er den schillernden Schriftstellern der frühen Moderne wie Georg Trakl oder Ernst Toller, womit die Zuschauer en passant einen Einblick in deren Schaffen bekommen und vielleicht auch dazu inspiriert werden, sich mit deren Werk auseinanderzusetzen. Dass sich das lohnt, davon sind Wolpert, Frühauf und Posthoff überzeugt. „Damals sind Dinge passiert, die die Lust am Experimentieren befeuert haben. Da sind die Künstler aus der Zeit, auch was die Akzeptanz angeht, viel weiter voraus gewesen, als es heute der Fall ist“, ist Andreas Posthoff überzeugt. Ferner seien die Kreativen auch Wagnisse eingegangen, ergänzt Tobias Frühauf. Denn mit ihren Gedanken und Visionen seien sie angeeckt. Sie seien teilweise sogar verfolgt worden und hätten ihr Leben lassen müssen.

Ihm und seinen beiden Mitstreitern kann man nicht vorwerfen, im Leben nur auf Nummer sicher zu gehen. Frühauf und Wolpert sind gerade einmal Anfang 20 und haben sich doch schon voll und ganz der Bühne verschrieben. Und Posthoff scheut sich mit seiner immensen Bühnenerfahrung nicht, mit solchen Talenten, die seine eigenen Kinder sein könnten, etwas auf die Beine zu stellen. „Mich interessiert brennend, was die jungen Menschen auf der Bühne wollen“, sagt der 56-Jährige. Die Zusammenarbeit sei genial. „Das ist ein Geben und Nehmen“, betont Posthoff. „Der Altersunterschied ist kein Problem. Wir können viel von ihm lernen“, gibt Tobias Frühauf die Blumen zurück. „Die Zusammenarbeit war für beide Seiten unheimlich befruchtend“, bestätigt Philipp Wolpert.

Davon wird sich das Publikum in Marbach am Montag, 16., und Dienstag, 17. Juli, im Schlosskeller selbst ein Bild machen können. Der Regisseur ist übrigens überzeugt davon, dass das Stück hierhin passt wie die Faust aufs Auge. „Wir holen die ganzen Dinge, die in den Archiven auf der Schillerhöhe liegen, hervor und sprechen sie aus“, sagt er in Anspielung darauf, dass die Nachlässe vieler bei der Inszenierung auftauchender Autoren in Marbach aufbewahrt sind. Insgesamt richte sich die Aufführung nicht zuletzt an Literaturfans und historisch Interessierte, aber auch an all jene, die sich einfach überraschen lassen wollen. Es gebe viel zu entdecken, versichert Philipp Wolpert. Und auch Unerwartetes zu hören. Obwohl der Verleger Kasimir Kranz von 1910 bis 1933 begleitet wird, stammt die Musik doch aus der Jetztzeit. Unterlegt wird das Geschehen mit modernen Sounds eines DJ. Auch ein Zeichen, dass das Trio wie die Autoren der Weimarer Republik etwas wagt. Tobias Frühauf hofft, dass man diese Experimentierlust im Rahmen der Theaterfestspiele irgendwann auch in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Literaturarchiv ausleben kann. „Das wäre ein Traum, wenn es da eine Offenheit für eine Kooperation geben würde“, sagt er.

Die Theaterfestpiele und die Serie

Das Theaterfestival findet von Donnerstag, 28. Juni, bis Sonntag, 22. Juli, statt. Gespielt wird auf dem Burgplatz und im Schlosskeller. Vier Stücke werden insgesamt gezeigt. Karten gibt es online auf www.reservix.de. Reservix-Vorverkaufsstellen sind in Marbach: Schilleria, Markstraße 15, Beran, Marktstraße 32, und Euli-Service in Rielingshausen. Über die Tourismusgemeinschaft Marbach-Bottwartal sind auch Pauschalarrangements mit Ticket, Programmheft, Übernachtung und Blick hinter die Kulissen erhältlich. Kontakt unter Telefon 0 71 44 / 10 22 97 und -2 50 oder per E-Mail an touristik@schillerstadt-marbach.de.
In einer achtteiligen Serie führen wir auf die Festspiele hin, stellen Stücke und Protagonisten vor.