In der Steinheimer Innenstadt gibt es immer viel Berufsverkehr. Foto: avanti

Regierungspräsidium Stuttgart ändert Kurs und setzt auf Einzelpläne für Kommunen.

Marbach/Steinheim - Im Frühjahr waren der Marbacher Bürgermeister Jan Trost und sein Steinheimer Kollege Thomas Winterhalter noch guter Dinge. Nicht jede Kommune sollte einen Luftreinhalteplan entwickeln. Das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart wollte dies „zentral steuern“, berichtete Trost Anfang März vom gemeinsamen Treffen, zu dem die Behörde eingeladen hatte. Die Anfrage unserer Zeitung förderte am Dienstag eine Kehrtwende zutage: Das RP will jetzt keinen Luftreinhalteplan mehr für den gesamten Regierungsbezirk außerhalb Stuttgarts aufstellen. Damit scheint auch der Plan der beiden verkehrsgeplagten Städte Marbach und Steinheim gescheitert, den Schwerverkehr durch ein abgestimmtes Lkw-Fahrverbot innerhalb eines übergreifenden Luftreinhalteplans einzudämmen.

Bereits seit Jahren quälen sich Lastwagen auf dem Weg von der B 14 im Rems-Murr-Kreis zur A 81 bei Pleidelsheim und Mundelsheim durch die engen Ortsdurchfahrten. In Marbach erreichten die Werte im Jahr 2017 stattliche 55 Mikrogramm pro Kubikmeter, die EU erlaubt nur 40. Die Stadt Marbach drängt schon länger auf einen Luftreinhalteplan, um die Belastung zu reduzieren. Die Abkehr von einem übergeordneten Reinhalteplan war dem Marbacher Bürgermeister Jan Trost bis Donnerstag überhaupt nicht mitgeteilt worden. „Die Nachricht kommt für uns sehr überraschend, wir haben bisher keinerlei Infos vom RP und können somit auch keine Stellungnahme abgeben, da wir die Gründe nicht kennen.“

Das RP stellt sogar infrage, ob es überhaupt jemals in Marbach und Steinheim zu einem Luftreinhalteplan kommt. Die Halbjahresmittelwerte lägen 2018 bei 39  Mikrogramm in Marbach und bei 37 in Steinheim, teilt die Behörde mit. Das deute darauf hin, „dass ein Luftreinhalteplan bei Vorliegen der endgültigen Jahresmittelwerte 2018 für diese beiden Kommunen nicht mehr erforderlich ist“, heißt es in der Stellungnahme des RP unter Hinweis auf die fortlaufende „Flottenerneuerung“ der Dieselfahrzeuge. Als Grund für die Abkehr von einem übergeordneten Luftreinhalteplan nennt die RP-Pressesprecherin Katja Lumpp „die unterschiedliche Entwicklung der Stickoxid-Werte im Regierungsbezirk“.

Dem von den Grünen geführten Verkehrsministerium in Stuttgart ist die zwischenzeitliche Kehrtwende des RP bekannt. „Es war eine Überlegung in der Werkstatt, die aber nicht zum Prototyp führte“, erklärt Edgar Neumann, Sprecher des Ministeriums. Der Grund seien rechtliche Vorgaben. „Die örtlichen Verhältnisse unterscheiden sich sehr: Marbach ist nicht Stuttgart – es muss einen unterschiedlichen Maßnahmenmix geben.“

Die blaue Plakette wäre aus Sicht der Landesregierung ein effektives Werkzeug im Rahmen der Luftreinhaltung, berichtet wiederum RP-Sprecherin Katja Lumpp. „In Abhängigkeit von der lokalen Situation hätte dann entschieden werden können, ob dieses angewendet werden müsste oder ob alternative und weniger tief greifende Maßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte genügten.“ Laut Lumpp sei jedoch nicht zu erkennen, dass die Bundesregierung Schritte in Richtung blauer Plakette unternehme. „Die jüngsten obergerichtlichen Entscheidungen binden jedoch die Länder, entsprechende Regelungen zu treffen“, sagt sie und weist darauf hin, dass Grenzwerte „schnellstmöglich“ erreicht werden müssten.

Dass Marbach überhaupt keinen Luftreinhalteplan braucht, glaubt der Verkehrsexperte und Marbacher CDU-Rat Jochen Biesinger nicht: „Die gemessenen Wert liegen nur knapp unter der Grenze des Zulässigen.“ Das Jahr 2018 sei eher eine Momentaufnahme – man müsse aber laut dem Experten Sven Plöger mit länger anhaltenden Wetterlagen rechnen und das auch im Winter mit seinen Hochs und Käseglockeneffekten. Er beobachte, dass der Schwerverkehr überall zunehme. Es brauche übergreifende Lösungen im Raum Marbach und kein Kirchturmdenken.