Im Schauspielstück „Aufgestellt!“ werden voyeuristische Grundbedürfnisse des Publikums befriedigt. Foto: avanti

Äußerst amüsant, aber auch hintergründig wirkt das neue Theaterstück „Aufgestellt!“, das im Marbacher Schlosskeller präsentiert worden ist.

Marbach - W

o sind wir? Was wollen wir hier? Warum ist es hier so eng? Fragen dieser Art stellen die sechs Gestalten auf der Bühne des Marbacher Schlosskellers. Nun, aus der Sicht des Zuschauers wird rasch klar, was sie wollen: Sie sind da, um zu unterhalten. Eine Unterhaltung der bizarren Art bahnt sich mit der Premiere am Freitagabend an; sie nimmt das Publikum eilfertig mit in verworrene und undurchsichtige Lebensgeheimnisse und die teils neurotischen Szenarien des menschlichen Geistes. Mit dem Grundprinzip: „Fünf Minuten Leben auskotzen dürfen“, bringen es die Mimen schließlich auf den Punkt.

Das Stuttgarter Theater 360 Grad hat sich in Kooperation mit den Darstellern des Vereins „Südlich vom Ochsen“, theatralisch dem Thema Familienaufstellung angenommen. Was den Fundus an schrägen Verhaltensstereotypen und skurrilen Problemmustern betrifft, freilich ein ergiebiges Feld. Pointiert darin herumgestochert hat Alexander Ilic. Sein Text bildet die Grundlage für das Schauspielstück „Aufgestellt!“. Dort treffen sich Fremde, die bei einem Seminar gemeinsam ihre intimsten Probleme gelöst haben wollen.

Gemeinsam mit seinen Darstellern hat auch Regisseur Ilic die völlig unterschiedlichen Figuren angelegt und individuell ausgeformt. Genau das spürt auch das Publikum: Denn wie auf den Leib geschnitten fühlt es sich bei den sechs Mimen (Corina Nagel, Aline Schaupp, Katja Schermann, Desirée Schweizer, Thomas Brune und Andreas Nagel) an, was bühnentechnisch rund eineinhalb Stunden, in teils behutsamen, teils grellen Farben, mit den stark überzeichneten Figuren geboten wird. Es ist ein Unterhaltungsspiel, das Tiefsinnigkeit und Boulevard-Touch amüsant vermischt und – falls vorhanden – voyeuristische Grundbedürfnisse im Dunkel des Zuschauerraumes befriedigt.

„Es ist doch nicht unsere Schuld, dass uns das Leben nicht gelingt“, proklamieren die Bühnenakteure und schmeißen sich voller Wollust hinein in die sonst so intim-verschlossene Welt ihres Seins, die den Raum des Kellers allmählich füllt, wie Bierdosen den Kühlschrank. Die Welt des Systems Familie ist auch auf der Bühne bunt gemischt: Mal wird mit wilden Aggressionen gespielt, mal heulen die „Seminarteilnehmer“ kollektiv weg, was das Herz belastet oder es werden Teilnehmer verbal bedrängt und bedroht. Thomas Brune als Bernhard hegt genial gespielte, abstruse Gedanken gegen seine Ehefrau. Die krabbeln aus dem Abgrund langsam nach oben. Wenig später zeigt das Spiel rund um die Aufstellung einen zunächst befreiten Mann, der cool umherrockt und eine neue Chance in seinem Leben wittert. Das hat begeisterten Applaus des Publikums zur Folge, das sich zudem über den gesamten Spielverlauf häufig amüsiert zeigt. Die wirkungsvoll eingebauten Brüche, die Ilic etwa mittels verstörend greller Tonfolgen in das Geschehen einwebt, geben dem dialektischen Bühnenspiel die nötigen dramatischen Konturen.