Zur Lesung von Birger Laing (links) sind alle verfügbaren Sitzplätze belegt. Foto: avanti

Birger Laing hat in Schillers Geburtshaus zu dem Thema „Nacht muß es sein, wo Friedlands Sterne strahlen …“ gelesen. Dabei hat er den Akzent auf Ereignisse in Schillers Leben gelegt, die sich nachts abspielten.

Marbach - Platz ist in der kleinsten Hütte“. Dieses Sprichwort hat am Samstag auch für das Geburtshaus Schillers in Marbach zugetroffen. Alle verfügbaren Sitzplätze waren belegt und selbst auf der Treppe machten es sich die Zuhörer so bequem wie möglich, als Birger Laing „in der Enge des Originalschauplatzes“ und zu nächtlicher Stunde, Schillers Leben „einmal aus anderer Perspektive“ betrachtete. „Denn wichtige Momente in Schillers Leben spielten sich ja immer nachts ab“, so der bekennende Schillerfan, der mit seinen Ausführungen im Angebots-Rahmen des Schillervereins, die diesjährige Schillerwoche eingeläutet hat. Für das leibliche Wohl sorgten die Marbacher Weingärtner, die drei besondere Weinerzeugnisse zur Lesung reichten.

„Nacht muß es sein, wo Friedlands Sterne strahlen …“, so lautet der dem Wallenstein entlehnte Titel, der Laings Lesung, die ja gerade den Akzent auf die nächtlichen Ereignisse in des Dichters Leben legt, trefflich einrahmt. Und so geht sie auch los mit einer nächtlichen Szenerie, die dem Zuhörer Gänsehaut einflößt: Schillers Beerdigung in Weimar auf dem Jakobsfriedhof und in einem Massengrab, die in einer mondhellen Nacht stattgefunden habe. „Die Gebeine übrigens sind seither verschollen“, erfuhr das aufmerksame Auditorium, das im abgedunkelten Raum lauschte und weiterhin hörte, dass die nächtliche Beerdigung in Weimar bei Adligen üblich gewesen sei: „Damit keine Gaffer stören konnten“.

Goethe, „mit seiner Angst vor Schmerzen und Krankheit“, fehlte. Und auch bei der offiziellen Trauerfeier am Nachmittag des 12. Mai sei er nicht zugegen gewesen. „Aber da waren wenigstens viele andere Verehrer anwesend, ja die Kirche war so überfüllt, dass etliche vor dem Tor stehen mussten“. Doch ist der Tod des Genies nur der erzählerische Beginn eines gar turbulenten Lebenslaufes, den Birger Laing in bilderreichen Worten, vergnüglichen Beispielen und lebhaften Schilderungen vorantreibt. „Ein Spaziergang, bei dem Sie sitzen bleiben dürfen“. Bei diesem Spaziergang durchläuft Laing markante Stationen, wie beispielsweise das Martyrium des Jungen, der auf Befehl des Herzogs, die „Pflanzschule“, eine von ihm gegründete „Schule für begabte Knaben“ besuchen muss. „Eine Hölle der verlorenen Kindheit“, wie Schiller später dazu schreibt. Immerhin aber nutzte Schiller die Zeit, indem er fast jede Nacht „von irgendeinem Gedanken, einer Idee, einem Interesse ergriffen, aufsprang und die Nacht durch dichtete und studierte“.

Schillers Flucht nach Mannheim ist allseits bekannt. Auch sie erfolgte in einer Nacht. Mit seinem besten Freund Andreas Streicher, der die Eigenheiten Schillers gerade auch bei der Flucht zu spüren bekam und die auch bei der Lesung für Schmunzeln sorgten. Gerade das detaillierte Herausschälen emotionaler und signifikanter Anteile im Leben des Dichters machten die Ausführungen Laings an dem Abend besonders.

Und Birger Laings Augen strahlten, als er im Gespräch vage die Hoffnung nährt, dass er im kommenden Jahr eine weitere Lesung plane. Die aber mit anderem Inhalt, bei dem es dann um Schiller und seinen Freund Goethe gehen soll. „Eine Freundschaft, die immer unterschätzt wird“, wie der Schillerexperte sagt und dabei auf Briefe verweist, die gar köstlichen Inhalts seien. „Da unterhalten sich die beiden über die Tiefen ihrer Dichtung und plötzlich geht es um Tapeten und ob die Bordüren richtig herum angebracht worden seien“, beschreibt Laing vergnügt die inhaltliche Bandbreite dieses geistigen Austausches.