Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Die unechte Teilortswahl abschaffen oder nicht? Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses wollen die Bürger im Stadtteil befragen.

Marbach - Mit ihrem Antrag, die unechte Teilortswahl für Rielingshausen abzuschaffen beziehungsweise alle Bürger, sowohl in der Kernstadt als auch im Teilort, über einen Bürgerentscheid abstimmen zu lassen, konnte sich die Gruppe Puls gestern Nachmittag im Verwaltungsausschuss nicht durchsetzen. Das Votum des Ortschaftsrates, der sich einstimmig gegen die Abschaffung ausgesprochen hatte, wiege schwer, versicherte Puls-Rat Hendrik Lüdke. Dennoch müsse der Gemeinderat ihm nicht in jedem Fall folgen. Besonders dann, wenn die Entscheidung auch die Bürger der Kernstadt betreffe – wie bei der unechten Teilortswahl.

Die Argumentation des Ortschaftsrates sei geprägt von der Angst, etwas zu verlieren. Die ablehnende Haltung gehe auf die Probleme der unechten Teilortswahl nur hinsichtlich der ungültigen Stimmen ein. Der Ortschaftsrat habe sich deshalb für Sicherheit und gegen Chancen und demokratische Grundsätze entschieden, so Lüdke. Seine Entscheidung zeige, dass er kein Vertrauen in die Wähler Rielingshausens habe und wenig Selbstbewusstsein besitze. „Der Ortschaftsrat traut wohl auch uns Kollegen aus dem Gemeinderat nicht zu, auch das Wohl unseres Teilorts in den Blick zu nehmen. Das ist bedauerlich.“ Rielingshausen habe die Sitzplatzgarantie nicht nötig, zumal diese mit Demokratie nicht viel zu tun habe. Wichtig sei, dass die Wahl selbst deutlich einfacher werde. „Unser Antrag richtet sich nicht gegen Rielingshausen. Wir betonen, dass die Ortschaftsverfassung von uns nicht in Frage gestellt wird.“ Darüber hinaus griff Lüdke den CDU-Mann Jochen Biesinger an. Wenn dieser es schmerzlich finde, dass die Hörnlebewohner keine Vertreter im Gemeinderat hätten, dann sei das „bigott“. Denn das liege ja besonders an den aktiven und sich zur Wiederwahl stellenden Räten der Parteien und Listen selbst, die die aussichtsreichen vorderen Plätze sich erst mal selbst reserviert hätten.

„Wir sind eine Stadt und sollten auch so handeln“ – dieser Ansicht ist Grünen-Rat Sebastian Engelmann. Vor 40 Jahren sei die unechte Teilortswahl ein wichtiges Element gewesen, um den Sorgen der Rielingshäuser zu begegnen. Ein Festhalten daran bedeute, dass man den Gremien nicht zutraue, die Interessen des Teilortes zu berücksichtigen, und spiegele ein Misstrauen gegenüber der Kernstadt wider. Die unechte Teilortswahl mache das Wahlsystem noch komplizierter. Eine garantierte Quote von vier Sitzen trage nicht zum demokratischen Wettstreit bei. „Die Bereitschaft zu wählen sinkt, wenn ich weiß, dass vier Sitze sicher sind“, ist er sich sicher. Anders als Puls plädiere man aber dafür, dass nicht der Gemeinderat und Ortschaftsrat entscheide, sondern die Bürger. Und zwar alle. Schließlich sei es auch interessant zu wissen, was die Bürger in der Kernstadt über die Sache denken. Da kein zeitlicher Druck bestehe, könne man einen Bürgerentscheid an die Bundestagswahl 2017 koppeln. „Auch uns geht es nicht darum“, betonte der Grüne, „Ortschaftsrat oder Ortsvorsteher in Frage zu stellen“.

Heinz Reichert (SPD) ist davon überzeugt, dass die Zeit für die Abschaffung der unechten Teilortswahl noch nicht reif ist. „In Rielingshausen gibt es sehr viele Leute, die absolut dagegen sind“, ist er sich sicher. Aber man könne ja ein Meinungsbild im Stadtteil abfragen, regte er an. Ein bindender Bürgerentscheid könne jedenfalls nicht in einem Teilort durchgeführt werden. Das sei nicht zulässig, informierte der Sozialdemokrat.

Die Rielingshäuser sollen ihre Meinung kundtun – genau das war auch der Vorschlag von FW-Rat Dr. Michael Herzog. Er persönlich sei zwar für die Abschaffung der bisherigen Regelung, aber nicht, wenn die Rielingshäuser dies nicht auch wollen. Die Bürger der Kernstadt sollten sich zurückhalten, betonte er. „Wenn wir einseitig den Vertrag kündigen, dann reißen wir längst zugeschüttete Gräben wieder auf“, warnte Herzog. Einen Vergleich mit dem Hörnle zu ziehen, hält er für unzulässig. Denn das sei nie eine eigenständige Gemeinde, sondern schon immer ein Teilort gewesen. CDU-Mann Ulrich Frech schlug vor, in der Diskussion zu bleiben. Es gebe Gründe für den Beibehalt der unechten Teilortswahl ebenso wie für die Abschaffung. Allerdings warnte er davor, den Beschluss des Ortschaftsrates zu übergehen. Das habe man noch nie getan.

Der Rielingshäuser Ortsvorsteher Eberhard Ruoff wird das gerne gehört haben. Er erinnerte als Zuhörer daran, dass Rielingshausen das Privileg der unechten Teilortswahl vor 40 Jahren gewünscht und erst danach der Eingemeindung zugestimmt habe. Die Ortschaftsräte seien demokratisch legitimierte Vertreter der Bürger. Ein Meinungsbild sei nicht notwendig. Doch genau dafür sollen sich die Ortschaftsräte in ihrer Sitzung am 2. Februar aussprechen. Dieser Wunsch der Verwaltung ebenso wie von der großen Mehrheit des Ausschusses wurde Ruoff mit auf den Weg gegeben. Das Thema wird im Gemeinderat am 12. Mai erneut diskutiert.