Eva Dambacher (links) beginnt an der Alexanderkirche mit ihrer Führung. Foto: Werner Kuhnle

Der Literarische Spaziergang zeigt Blickwinkel berühmter Dichter und Denker auf die Schillerstadt.

Marbach - Der Literarische Spaziergang beginnt an einem Ort, von dem aus sich ein wunderschöner Blick auf Marbachs Altstadt bietet: Der Platz vor der Alexanderkirche. Und dazu liest Eva Dambacher ein „fast schon literarisch anmutendes Zitat“ einer Oberamtsbeschreibung aus dem Jahr 1866 vor. Der Gast erfährt, dass zum Bau der Stadt oben am rechtwinkligen Vereinigungspunkt zwischen Neckar und Strenzelbachtälchen, gegenüber der Alexanderkirche, ein fester und unzugänglicher Felsensporn genutzt wurde.

Eva Dambacher ist als ehemalige Bibliothekarin im Deutschen Literaturarchiv eine Kennerin der literarischen Seite Marbachs und führt mittlerweile im fünften Jahr für den Veranstalter Litspaz durch Marbach, aber auch durch andere Orte in der Region. „Es muss ja nicht nur Schiller sein“ heißt die Führung, an der zwölf Teilnehmer der Expertin zwei Stunden lang folgen. Und es ist klar, was Eva Dambacher meint, wenn sie davon spricht, dass Marbach wegen der im frühen 19. Jahrhundert aufblühenden Schillerverehrung ein bisschen das Dasein eines „Zwitterwesens“ begonnen habe. Einerseits als hübsche normale Kleinstadt. Und andererseits als Anziehungspunkt für Literaturinteressierte, für Wissenschaftler und auch für Politiker – mit dem Geburtshaus von Schiller beispielsweise, dem Schiller-Nationalmuseum, dem Limo und dem Deutschen Literaturarchiv.

Und so führt der Weg zunächst von der Alexanderkirche aus die Niklastorstraße hinauf bis zur Mittleren Holdergasse, dann vorbei am einzigen Haus innerhalb Marbachs Stadtmauern, das 1693 im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekriegs nicht abgebrannt ist – dem Heinlinschen Hof. Weiter geht es die Marktstraße entlang, dann schließlich über den Burgplatz bis zur Grabenstraße. Und dann ist es auch nicht mehr weit bis zur Schillerhöhe, wo im Jahr 1859 der Grundstein für Schillers Denkmal gelegt wurde.

Auf dem gemeinsamen Weg wird klar, was diesen Literarischen Spaziergang so besonders macht: Er schafft Querverbindungen – zwischen verschiedenen Schriftstellern, zwischen verschiedenen Orten und zwischen ganz verschiedenen Zeiten. Außer Ottilie Wildermuth zitiert Dambacher informativ und unterhaltsam auch etliche andere berühmte Schreiber. Hölderlin beispielsweise, oder auch Hans Christian Andersen. Er hat in seinem Märchen „Die alte Kirchenglocke“ die Geburt Friedrich Schillers beschrieben, bei Glockengeläut vom nahen Kirchturm her. „Die Glocke im Turm schien ihre Freude über Stadt und Land hinaus zu läuten.“ Und irgendwann sei in dieser Geschichte die Glocke vom Turm herabgestürzt und als Denkmal eingeschmolzen worden. „Wer denkt da nicht sofort auch an Schillers Lied von der Glocke?“, fragt Dambacher und erzählt von einer weiteren Glocke, der Concordia-Glocke, die 1859 von deutschen Schillerverehrern aus Moskau gestiftet und nach Marbach geschickt wurde.

Das alles erfuhr die Gruppe gleich zu Beginn draußen vor der Alexanderkirche neben einer Glocke – die einen Riss hat. Sie ist allerdings recht neu, verrät Dambacher, denn sie war Teil des fünfstimmigen Geläuts, das 1997 installiert wurde. Und weil diese wegen ihrem Riss reklamiert wurde, erfreut sie nun die Besucher der Alexanderkirche als Ausstellungsstück.