Der Frühschoppen hat im neuen EgeTrans-Atrium stattgefunden. Foto: Werner Kuhnle

Der stellvertretende Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten, Wolfgang Molitor, und Karin Götz, Leiterin der Lokalredaktion der Marbacher Zeitung, haben sich über komplexe politische Fragen unterhalten.

Marbach - Der Politische Frühschoppen der Marbacher Zeitung war die erste öffentliche Veranstaltung im neuen EgeTrans-Atrium. MZ-Geschäftsführer Kai Keller konnte rund 100 Teilnehmer begrüßen und dankte den Hausherren Peter und Marcel Steinmüller für diese „Vorpremiere in ganz exklusivem Rahmen“. Falls es jemand vergessen sollte, erinnerte Keller direkt daran: „In einer Woche ist Bundestagswahl.“ Der Leiter der Politikredaktion und stellvertretende Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten, Wolfgang Molitor, sei hier, um den Anwesenden dabei zu helfen, eine Meinung zur Wahl und dem Kampf der Parteien zu finden.

Karin Götz, Leiterin der Lokalredaktion der Marbacher Zeitung, beschrieb den Kollegen als „locker und humorvoll“, was Molitor dann zwei Stunden lang unter Beweis stellte. Auch sie, gab Karin Götz zu, tue sich schwer, eine klare Entscheidung zu treffen. Der Anteil der unentschlossenen Wähler sei aber auch schon höher als die derzeit 43 Prozent gewesen, gab der Polit-Experte Molitor hier zu bedenken.

Generell bezweifle er die „Macht der Umfragen“, die versuchen, in einen langweiligen Wahlkampf noch etwas Spannung zu bringen. Was man beim Fernsehduell gesehen habe, sei „luschig-fluffig“ gewesen wie der ganze Rest auch. „Der Wahlkampf ist so, wie die Stimmung im Volk.“ Daraus ein „Deutschland sucht den Super-Kanzler“ machen zu wollen, sei schlicht unanständig. Das Format des Fernsehduells sei aber „Murks“, wenn sich die Fragenden wichtiger nehmen würden als „die beiden, die vorne stehen“.

Merkel komme aus einer „komfortablen Perspektive“, so Molitor. Daher könne sie Martin Schulz klarmachen: „Obwohl du ein Netter bist, bleibst du die Nummer zwei.“ Persönlich habe Molitor Merkel mit einer „witzigen Schlagfertigkeit“ erlebt, Schulz hingegen sei „ausgesprochen authentisch“.

Karin Götz wollte wissen, warum Politiker wie Merkel oft unkonkret bleiben. „Ein klares Ja oder ein klares Nein fällt heute immer schwerer“, gab Molitor zu bedenken. Klare Polarisierungen wie in der Zeit des Kalten Krieges gebe es heute kaum mehr. „Damals war Politik nicht einfacher, aber leichter vermittelbar.“ Bei der Vielzahl an komplexen Fragen sei es nicht immer einfach, klare Kante zu zeigen. „Wenn Sie Pflöcke einschlagen, holen Sie Stimmungen ab, machen aber keine Politik. Das kann man unverbindlich nennen, das kann man aber auch vernünftig nennen.“

Der Hype um Martin Schulz sei schnell wieder auf Normalmaß abgeflacht. „Dass er zur SPD gehört, weiß vielleicht nicht jeder, aber dass er aus Würselen kommt, wissen jetzt alle.“ Schulz habe „einer totgesagten Partei wieder Schwung gegeben, wenn auch vielleicht nur für kurze Zeit“. Die SPD habe sich zu einseitig auf das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ festgelegt und die fehlende klare Abgrenzung von einem rot-rot-grünen Bündnis habe sich schon bei der Saarlandwahl als Fehler erwiesen. Nach zwölf Jahren Merkel gebe es eine gewisse Überdrüssigkeit, die der Einsicht gewichen sei, dass man doch lieber auf Bewährtes setzt. Insofern sei es keine Überraschung, dass im Wahlkampf die Begeisterung fehle.

Viel spannender als die Wahl sei der Montag danach, so Molitor auf die Frage nach möglichen Konstellationen. Die CDU werde eher auf 36 Prozent absacken, vermutete Molitor, die SPD müsse 25 Prozent erreichen, um nicht noch schwächer in die ungeliebte große Koalition zu gehen. Die FDP müsste zweistellig werden, um eine schwarz-gelbe Koalition zu ermöglichen, was er nicht glaube. „Alles andere ist rechnerisch wie politisch unmöglich“, erteilte Molitor einem Jamaika-Bündnis eine Absage. „Das wäre für die Grünen eine Zumutung, mit der CSU und der FDP würden die sich wie das fünfte Rad am Wagen fühlen.“