Früh übt sich: Wirtschaft wird zum Unterrichtsgegenstand. Foto: dpa

Das neue Schulfach „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“ ist am Friedrich-Schiller-Gymnasium erprobt worden.

Marbach - Das Schulfach „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“, von Fachleuten am runden Tisch erdacht und im Bildungsplan 2016/17 verankert, „ist praktisch umsetzbar“. So lautet das Urteil von Gemeinschaftskundelehrerin Beate Thull am Ende der halbjährigen Erprobungsphase. Zwei Stunden wöchentlich hat sie das Fach in der Klasse 8g des Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasiums unterrichtet, den Schülern gezeigt, wie man Haushaltspläne erstellt, die Schuldenfalle vermeidet oder sich der Preis von Schokolade zusammensetzt. Immer im Blick die Nachhaltigkeit als eines von fünf Leitprinzipien des Schulunterrichts und als politische Forderung.

Die Rückmeldungen, die Beate Thull von den Schülern erhalten hat, waren weitgehend positiv. „Der Unterricht folgt konzentrischen Kreisen“, erklärt Thull dabei das pädagogische Modell hinter dem Fach. Ausgehend vom Einzelnen, seinen Wünschen, Interessen und Erwartungen, dehnt sich der Kreis aus auf das Zusammenwirken mit anderen. Inhalt des Unterrichts werden dann beispielsweise Verträge und ihre Bedeutung. Auf der dritten Ebene kommt die Politik ins Spiel. Die Schüler erkennen, wer die Rahmenbedingungen formuliert, innerhalb derer sich die Wirtschaft entfalten kann. Es geht also um die übergeordneten Zusammenhänge.

Und genau deren Verlust befürchtet Beate Thull. Denn sowohl das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst als auch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport haben die beiden Studienfächer Wirtschaft und Politik voneinander getrennt. Damit werde der erst 2010 ins Leben gerufene neue Bachelor-Studiengang Politik und Wirtschaft „unevaluiert zu Grabe getragen. Somit ist der für uns notwendige Zusammenhang der beiden Disziplinen nicht mehr unbedingt gegeben“, klagt Thull an. Und sie fügt enttäuscht hinzu: „Ich glaube nicht, dass man da noch etwas machen kann.“ Auch, weil die 26 Fachleiter an Seminaren in Baden-Württemberg, deren Sprecherin Thull ist, eine ausführliche Stellungnahme an einen großen Verteiler von Landesbeamten geschickt haben, in der sie die Entpolitisierung des Faches als Qualitätsverlust brandmarken. Dass seit November nur eine Antwort kam, „wundert mich schon sehr. Entweder interessiert es keinen, oder es ist alles schon geschwätzt“, deutet Beate Thull die zurückhaltenden Reaktionen.

Fehle dem Wirtschaftsunterricht aber der politische Diskurs, komme etwas anderes dabei heraus. Zwar vermittelten die Ausbilder an den Schulen ihren Lehramtsanwärtern die Fachdidaktik während des Referendariats. Verschärft werde das Problem aber dadurch, dass an den Universitäten künftig Kombinationen etwa aus Wirtschaft, Englisch und Sport möglich werden. Beate Thull hegt Zweifel daran, ob Schulleiter einen Wirtschaftslehrer für gerade mal eine Wochenstunde einstellen. „Wir haben den Verdacht, dass dem fachfremden Unterricht hier Tür und Tor geöffnet wird.“

Nun setzt sie ihre Hoffnung auch in den Meinungsaustausch Ende Februar, wenn Lehrer aus allen neun Erprobungsschulen des Landes sich treffen, um ihre Erfahrungen in Bezug auf den Lehrplan zu diskutieren. Auch dort wird sie ihren Standpunkt vertreten, dass das neue Fach „den Fokus auf die Wirtschaft legt, aber die Politik von uns nicht vernachlässigt werden darf“.