Foto: Werner Kuhnle

Die Fraktionen im Gemeinderat plädieren für kleine Einheiten bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Sie warnen vor einer Ghettoisierung.

Marbach - Die Gemeinderäte haben Flagge gezeigt – für ein menschenfreundliches und weltoffenes Marbach. In ihren Reden haben sich Vertreter aller Fraktionen dafür ausgesprochen, Flüchtlinge willkommen zu heißen. Allerdings betonten alle, müssten dezentrale Lösungen gefunden werden. Um Konflikte zu vermeiden und Integration zu erleichtern.

Derzeit, erklärte Bürgermeister Jan Trost, seien 51 Flüchtlinge in der Schillerstadt untergebracht. Fünf davon in Rielingshausen, der Rest vor allem in der Altstadt, Der Landkreis müsse rund 200 Personen pro Monat aufnehmen. Hochgerechnet auf ein Jahr wäre das jedes Jahr ein Ort so groß wie Rielingshausen. Für das kommende Jahr werden Marbach vermutlich 38 Flüchtlinge zugewiesen, in 2016 werden es aller Voraussicht nach knapp 60 Menschen sein. Nachdem der Stadt keine privaten Flächen angeboten wurden, könne die Kommune nur auf die eigenen Flächen zurückgreifen. Gemeinderat und Ortschaftsrat hätten eine Art Rangliste aufgestellt. In der Kernstadt soll als erstes der Parkplatz Heckenstraße, dann der Parkplatz Ecke Schulstraße Schubartstraße und der Parkplatz beim Festplatz umgesetzt werden. In Rielingshausen der Parkplatz Backnanger Straße, die Fläche südlich der Gemeindehalle und des Bolzplatzes und eine Fläche in der Gutenbergstraße. Trost betonte: „Wir werden alle Flächen brauchen.“ Die Not sei groß und die Kommune sei verpflichtet die Menschen unterzubringen. „Unsere Handlungsperspektiven sind begrenzt.“

Flüchtlinge aufnehmen – nicht weil man es muss, sondern weil man es will. Dafür sprach sich der grüne Rat Sebastian Engelmann im Namen seiner Fraktion aus, nachdem er an die Weihnachtsgeschichte und die Flucht der heiligen Familie erinnert hatte. „Wir Grünen stehen ohne Einschränkungen zu den Standorten.“ Ziel müsse eine dezentrale Verteilung sein. Die Flüchtlinge dürften aber nicht an den Rand der Stadt gedrängt werden, nahm er Bezug auf einen Vorschlag von Bürgern, einen Standort im Technologiepark zu wählen . „Wir wollen, dass sie mitten unter uns sichtbar sind und sie freundlich aufgenommen werden.“ Die Stadt, so die Forderung der Grünen, solle die Arbeit der Ehrenamtlichen stärken und etwa auf der Website Ansprechpartner aufführen, eine Infobroschüre auflegen und auf jeden Fall die unterschiedlichen Aktivitäten koordinieren. „Wir alle sind in der Pflicht, Ängste abzubauen.“

Verständnis für besagte Ängste, äußerte Dr. Michael Herzog (FW). Etwa von jenen Bürgern, die direkt neben einem Standort wohnen und stark verunsichert sind. Man stehe vor einer großen Aufgabe. Eine große Unterkunft mit Gettocharakter lehne seine Fraktion ab. „Die Menschen müssen gleichmäßig verteilt werden.“ Der für Februar geplante Film- und Diskussionsabend könne nicht alles sein. „Es gibt viel zu tun“, betonte Herzog und forderte auf, den Flüchtlingen mit offenen Herzen zu begegnen.

Auch Heike Breitenbücher (CDU) zeigte Verständnis für die Ängste mancher Bürger. Allerdings sei es nicht in Ordnung, Ängste zu schüren und die Flüchtlinge vorab zu kriminalisieren. Breitenbücher warnte wie Herzog vor einer Gettoisierung. „Es ist einfacher, wenn es sich nach und nach füllt.“ Die CDU würde es begrüßen, wenn an der Heckenstraße ein „ansprechendes Gebäude“ errichtet wird. Die CDU stehe zu den Standorten, sei aber offen für konstruktive Alternativvorschläge.

Hans Martin Gündner (SPD) plädierte für eine gerechte Aufteilung zwischen der Kernstadt und dem Stadtteil, für ein sensibles Vorgehen beim Belegen mit Nationalitäten, für menschenwürdige Verhältnisse, das Vermeiden von Standorten weit draußen und dem Zusammenballen vieler Flüchtlinge auf einem Platz. Er stellte aber auch klar: Ein „ nicht in meinem Hinterhof“ könne es nicht geben.

Hendrik Lüdke von Puls erinnerte an die Verantwortung, die auch die Bundesbürger an der weltpolitischen Entwicklung und damit an der Flucht von Menschen aus ihrer Heimat haben. „Wir zerstören mit unserem Lebensstil anderswo die Lebensgrundlage von Menschen.“ Außerdem zeige der Zensus aus dem Jahr 2011 einen Leerstand von 335 Wohnungen in Marbach. „Da sollten wir vielleicht etwas aktiver sein“, regte er an.