Die Schäden am Dach der Stadtkirche sind größer als erwartet. Foto: Archiv (Kuhnle)

Marode Dachstühle erschweren die Aufgabe, die Marbacher Stadtkirche zu sanieren. Der Zeitplan gerät ins Wanken, die Kirchengemeinde sucht Geldgeber.

Marbach - Größer als angenommen sind die Schäden im Dach der Marbacher Stadtkirche. Das hat Heinz-Werner Neudorfer, geschäftsführender Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Marbach und Dekan des Kirchenbezirks, auf Anfrage unserer Zeitung mitgeteilt. Die neu entdeckten Schäden seien erst seit wenigen Wochen bekannt und stellten die Kirchengemeinde vor eine neue Herausforderung. Als Kosten für die Sanierung der Dächer im Kirchenschiff und im Chorraum stünden rund 470 000  Euro im Raum. „Das wirft uns finanziell sehr zurück.“

Gleichzeitig betonte Neudorfer, dass die Kirchengemeinde nicht daran denke, die Stadtkirche zu verkaufen. Der Bericht einer Lokalzeitung hatte im Juli für Missverständnisse gesorgt. „Stadtkirche könnte eventuell geschlossen werden“, hieß es in dem Artikel über langfristige Sparmaßnahmen der Landeskirche. Im Gemeindebrief für August/September trat Katrin Mistele, Zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderats, den entstandenen Gerüchten entgegen. „Wir stecken demnächst viel Geld in die Renovierung und den Erhalt der Stadtkirche und haben das im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten auch weiterhin vor.“

Keinen Hehl macht der Dekan Heinz-Werner Neudorfer daraus, dass die Sanierung nach den frisch entdeckten Dachschäden weitaus schwieriger zu stemmen sein wird. „Wir haben in den vergangenen Jahren für die Außensanierung rund 265 000 Euro investiert – dazu kamen noch rund 335 000 Euro an Zuschüssen – und wollten jetzt an die Innensanierung gehen“, berichtet Neudorfer. „Diese Sanierung halte ich für dringend nötig.“ Im Raum standen 400 000 Euro bis rund eine Million Euro. „So viel Geld steckt man nicht in ein Gebäude, das man abgeben will“, stellt Neudorfer noch einmal klar. Leider habe sich bei der jüngsten Untersuchung der Dachstühle im Kirchenschiff und im Chorraum gezeigt, dass diese „sehr marode“ seien. „Das hat man dem Dach von außen nicht angesehen, und es war uns auch nicht bekannt.“

Verändert hat sich aufgrund des Befundes der Zeitplan für die gesamte Sanierung. Schließlich könne die Gemeinde im Innern der Kirche erst dann weitermachen, wenn die Dachstühle komplett saniert seien, erklärt der Dekan. Eigentlich wollte die Kirchengemeinde zum 700-Jahr-Jubiläum der Stadtkirche im Jahr 2019 fertig sein. „Das ist nun wohl völlig ausgeschlossen, wenn wir nicht einen unerwarteten Zufluss an Geld haben“, bedauert Heinz-Werner Neudorfer. Vielleicht werde es nach Arbeiten am Dach eine provisorische Innensanierung geben, da die neue Orgel 2016 komme – und später, wenn das Geld da ist, eine umfassende Sanierung. Die könne, schätzt das Kirchenoberhaupt ein, wohl auch nur „abgespeckt“ stattfinden. Er hoffe, dass die Spender eine entsprechende Summe aufbringen – dann könnte die Kirchengemeinde schon 2017/18 innen sanieren.

Die Stadtkirche nimmt in den Planungen der Marbacher Kirchengemeinde eine tragende Rolle ein. „Sie wird – realistisch betrachtet – neben dem Martin-Luther-Haus das kirchliche Gebäude sein, das wir auf Dauer unbedingt brauchen“, erklärt Neudorfer. Die Alexanderkirche könne leider nur im Sommer benutzt werden. „Wir haben Erfahrungen mit Veranstaltungen im Oktober und an Weihnachten gemacht – die waren sehr frostig.“ Wenn die Kirchengemeinde also ein sakrales Gebäude auf Dauer aus Kirchensteuermitteln finanziert halten wolle, werde es wohl die Stadtkirche sein – „so sehr wir auch für die schöne Alexanderkirche dankbar sind“. Der Dank gelte auch den Menschen, besonders im Verein zur Erhaltung der Alexanderkirche, „die das Gebäude besonders zu ihrer Sache gemacht haben“.

Die finanzielle Lage der Landeskirche sei dank schwäbisch-sparsamer Haushaltspolitik relativ gut, erklärt der Dekan. Wegen der florierenden Konjunktur fließe die Kirchensteuer immer noch, doch bereitete der durch Tod oder Austritt bedingte Rückgang an Kirchenmitgliedern Sorgen. Deshalb müsse es neben Pfarrplänen, mit denen Pfarrstellen eingespart wurden, auch das vom Oberkirchenrat verlangten Immobilienkonzept geben, wonach die Kirchengemeinden angeben müssen, von welchen Gebäuden sie sich im Ernstfall zuerst trennen würden. Hier hatte Neudorfer das Christophorushaus im Hörnle genannt, gleichzeitig aber dessen Bedeutung als Treffpunkt im Stadtteil hervorgehoben und eine gemeinsame Kostendeckung mit Stadt und Vereinen ins Gespräch gebracht.

„Wichtig ist, dass das geistliche Leben in den Gemeinden mehr Gewicht hat als die Gebäude“, sagt Neudorfer. Häuser und Kirchen dienten dazu, geistliches, diakonisches, missionarisches, christliches Leben zu ermöglichen. Der Dekan empfiehlt deshalb auch, in puncto Stadtkirche gelassen zu bleiben. In einem Kirchenlied aus dem Jahr 1676 heiße es: „Alles ist an Gottes Segen und an seiner Gnad‘ gelegen über alles Geld und Gut. Wer auf Gott sein Hoffnung setzet, der behält ganz unverletzet einen freien Heldenmut.“