Der Landrat Rainer Haas (Mitte) bezieht in seinem Büro zu den Fragen von MZ-Redaktionsleiterin Karin Götz und Redakteur Christian Kempf Stellung. Foto: Werner Kuhnle

Der Landrat Rainer Haas bezieht im Gespräch mit Redaktionsleiterin Karin Götz und Redakteur Christian Kempf Stellung zum Marbacher Gesundheitscampus.

Marbach/Ludwigsburg - Der Landrat Rainer Haas hat zuletzt mit seinen Äußerungen zur Zukunft des Marbacher Gesundheitscampus für Irritationen gesorgt (wir berichteten). Im Interview geht er genauer auf dieses Thema ein. Der Chef des Kreishauses spricht aber auch über die Bottwartalbahn, den Steinbruch in Rielingshausen und die Flüchtlingspolitik.

Herr Landrat, ein Thema, das viele Marbacher bewegt, ist die Zukunft des Krankenhauses. Der Bürgermeister Jan Trost zeigte sich zuletzt beim Redaktionsbesuch enttäuscht darüber, dass sich im vergangenen Jahr nicht sonderlich viel bewegt habe. Woran hakt es?
Die ganze Angelegenheit ist ausgesprochen komplex. Und sie würde auch den Umfang einer regulären Sitzung sprengen. Deshalb wird es im März eine Klausurtagung des Aufsichtsrats geben. Wir gehen davon aus, dass dann ganz schnell eine Weichenstellung erfolgt. Und bis zu dieser Klausurtagung soll alles zusammengetragen werden. Jetzt kann man natürlich sagen: Man ist enttäuscht, dass genau das nicht schon vor einem halben Jahr geschehen ist, aber dafür gibt es gute Gründe.
Die da lauten?
Es geht ja nicht nur um ein Projekt, sondern um eine ganze Palette von Projektideen. Wobei das geplante Belegkrankenhaus selbstverständlich der sehr zentrale Punkt ist. Außerdem hat man in der Abstimmung länger gebraucht als gedacht. Ein Gespräch mit Manfred Lucha, dem Minister für Soziales und Integration, steht beispielsweise noch aus und soll Anfang des nächsten Jahres stattfinden. Hier werden wichtige Entscheidungen fallen.
Es hat sich aber nichts daran geändert, dass die Belegklinik ganz oben auf der Agenda steht?
Das hat bei uns erste Priorität. Das wollen wir auf jeden Fall umsetzen. Aber dafür hätten wir gerne grünes Licht vom Land in Form einer Förderzusage. Und es ist ja auch kein Geheimnis, dass das Land seine Fördergrundsätze diametral geändert hat. Das wussten wir vor einem Jahr noch nicht. Das ist mit ein Grund, warum die Sache länger dauert. Doch die Belegklinik ist nur ein Baustein. Es gibt noch eine ganze Palette von Projekten, die das abrunden sollen. Die Fakten dazu werden wir auch aufbereiten, und dann wird der Aufsichtsrat der Kliniken eine Entscheidung treffen.
Ein Aspekt, der dabei wahrscheinlich auch eine Rolle spielen wird, ist die von Ihnen unlängst vorgebrachte Idee, in Marbach Ausweichflächen für die anderen Standorte der Kliniken-Holding bereitzuhalten. Wie könnte das im Detail aussehen?
Die Idee ist nicht neu. Wir haben uns über die Jahre Flächen rund ums Marbacher Krankenhaus gesichert. Die Geschäftsführung und ich können uns nicht vorstellen, dass wir diese mühsam zusammengetragenen Areale jetzt wieder verkaufen. Wir haben immer gesagt, dass wir diese Grundstücke auch als Ausweichgelände für die Zukunft sehen. Wir sind in Ludwigsburg voll bis zum Anschlag; in Bietigheim ist die Situation ähnlich. Vor dem Hintergrund ist es wichtig, für die mittel- bis langfristige Zukunft noch etwas in der Hand zu haben.
Das heißt, Sie haben keine Ausweichmöglichkeit im Bestand im Sinn, sondern denken an Neubauten.
Beides ist möglich. Fakt ist aber auch: Wenn ich jetzt den Gesundheitscampus in Marbach voll verplane, habe ich keine Chance mehr auf räumliche Entwicklungsoptionen für unsere Krankenhäuser – ohne weitere Flächen zu erwerben. Wobei keiner in der Branche verlässlich sagen kann, ob der Bettenbedarf steigen oder sinken wird. Es liegt aber natürlich in den Händen des Aufsichtsrats, ob das Grundstück gleich voll zugebaut werden soll. Ich werde jedoch davon abraten.
Wann wäre das Gelände denn ausgemostet?
Im Gespräch ist eine ganze Reihe von Dingen. Neben der Belegklinik wird über die Ansiedlung einer Psychosomatik, eine Reha und jetzt auch im Kreistag über eine Kurzzeitpflege diskutiert. Ich weiß aber nicht, welche dieser Überlegungen tatsächlich vorgeschlagen werden und wie viel Platz diese in Anspruch nehmen würden. Für mich läuft es deshalb darauf hinaus, dass wir all diese Vorstellungen sammeln, den Platzbedarf ermitteln, prüfen, ob überhaupt alles auf den Campus passt, und dann eine Prioritätenliste erstellen. Dann kann man sagen, was man will und was eher nicht. Für die Marbacher heißt das: Sie müssen noch ein bisschen Geduld haben.
Im zweiten Quartal 2018 nach dem Gespräch mit Manfred Lucha und der Aufsichtsratssitzung wird eine Entscheidung fallen?
Ganz genau. Wir wären auch schlecht beraten gewesen, in der Sache etwas übers Knie zu brechen. Dreh- und Angelpunkt ist die Belegklinik. Folglich ist das Gespräch mit dem Minister auch so wichtig. Wobei wir natürlich auch schon einige Vorarbeit geleistet haben. Wir haben viele Gespräche geführt. Der Standpunkt des Ministers ist auch klar: Er will nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgehen, sondern nur Projekte fördern, die zukunftsfähig sind – was ich für richtig halte. Wir sind aber überzeugt, dass die Belegklinik in Marbach eine Perspektive hat. In so einem großen Kreis, wie Ludwigsburg, gehört das zur Angebotspalette der Krankenhauslandschaft. Da sehen wir Potenzial.
Was passiert, wenn Sie den Minister nicht von diesem Standpunkt überzeugen können? Wird das Krankenhaus dann sofort geschlossen? Immerhin verursacht es ein hohes jährliches Defizit.
Die Möglichkeit, dass es keine Unterstützung aus Stuttgart gibt, will ich gar nicht ernsthaft in Betracht ziehen. Theoretisch könnten wir aber auch ohne Fördermittel bauen.
Und wie könnte der weitere Zeitplan ausschauen, wenn Minister und Aufsichtsrat grünes Licht geben?
Welche Komponenten des Konzeptes in Marbach umgesetzt werden, wird durch den Aufsichtsrat im März entschieden. Es ist jetzt schon im Unternehmensplan eine Planungsrate eingestellt, so dass zügig ein Projektplan erstellt werden kann, zumal mit potenziellen Partnern schon Gespräche geführt wurden.
Wesentlich länger würde es vermutlich dauern, bis die Bottwartalbahn wieder aufs Gleis gebracht wäre. Sind Sie überrascht, dass sich die Stimmung inzwischen zugunsten der Bahn gedreht hat?
Nein. Vor einigen Jahren war es so, dass die Bauträger nördlich der Linie von Bietigheim und Steinheim weniger Interesse gezeigt hatten. Damals war auch das Interesse an der Bottwartalbahn nicht sonderlich hoch. Das hat sich gewandelt. Zwar zieht es die Leute nach wie vor zum Wohnen in die Stadt. Doch die Preise haben sich mittlerweile auf einem so hohen Niveau eingependelt, dass es sich die meisten nicht mehr leisten können. Dadurch nimmt wieder der Druck zu, in Regionen wie dem Bottwartal zu wohnen, obwohl von dort aus längere Anfahrtswege in Kauf genommen werden müssen. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Bottwartalbahn jetzt wieder ein Thema ist – und zwar bei allen Anrainern. Wir erleben gerade eine historische Stunde. Zum ersten Mal haben alle Gemeinden im Bottwartal das Signal ausgesandt: Wir sind bereit, eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben und sie auch zu bezahlen. Mir gegenüber wird aber gleichzeitig immer wieder betont, dass das noch kein Beschluss für die Bahn ist. Das deckt sich mit meiner Auffassung. Ich bin weit davon entfernt, sagen zu können: Die Bottwartalbahn kommt. Ich begrüße es, dass wir uns darum kümmern, aber auch ich weiß nicht, was bei der Untersuchung herauskommt.
Für wie realistisch halten Sie es, dass die Bahn kommt?
Dazu kann ich im Moment noch nichts sagen. Wir müssen erst das Gutachten abwarten. Ich will auch nicht über etwaige Zeitpläne spekulieren. Die Bahn könnte jedoch dazu beitragen, die Verkehrssituation im Bottwartal und darüber hinaus zu entspannen. Die größte Herausforderung im Landkreis ist meiner Ansicht nach im Moment die Mobilität. Im Bereich des Individualverkehrs haben wir nur noch überschaubare Möglichkeiten zur Verbesserung, wie die Standspur auf der Autobahn A 81 zum Fahren freizugeben oder den einen oder anderen Ausbau einer Straße. Große Würfe sind in unserem hochverdichteten Raum jedoch nicht drin, weil die Leute dann auf die Barrikaden gehen. Jeder will doch dort, wo er wohnt, vom Verkehr unbelästigt bleiben. Deshalb setzen wir den Akzent auf den ÖPNV. Allerdings können wir nur in unserer Zuständigkeit wirken. Eigentlich müsste die große Verkehrspolitik in Berlin gemacht werden. Doch dort wird sie nicht gemacht. Der LKW-Verkehr wird hoch subventioniert, die Bahn muss im Gegenzug eine halbe Milliarde an den Haushalt des Bundes abdrücken.
Sie haben darauf hingewiesen, dass niemand den Verkehr vor der Haustür haben will. Die Bahn aber wahrscheinlich auch nicht unbedingt.
Wenn man es richtig macht, wird die Beeinträchtigung für die Bevölkerung so gering wie möglich gehalten. Von der Strohgäubahn wissen wir, dass man da Lösungen finden kann.
Lösungen braucht es auch in Sachen Asyl. Einige Kommunen wie Marbach hinken hinter dem Zeitplan her, was die Erfüllung ihrer Quote anbelangt. Reicht es, wenn die neue Unterkunft auf der Rollschuhbahn erst im Herbst fertig wird, oder muss sich die Stadt bis dahin etwas anderes einfallen lassen?
Wir haben einen Schlüssel, nach dem die Flüchtlinge angelehnt an die Einwohnerzahl an die Gemeinden verteilt werden. Und das läuft nach allem, was ich weiß, sehr gut. Manche haben ein bisschen mehr Probleme als andere, aber auch da haben wir es bislang immer geschafft. Marbach ist mir in dem Zusammenhang nicht als Stadt bekannt, wo die Probleme größer als anderswo sind.
Sie können die Marbacher also beruhigen, dass keine Sporthallen belegt werden müssen?
Alles, was wir machen, geschieht mit Augenmaß. Durch unseren Verteilungsmodus, bei dem bei der Anschlussunterbringung auch die vorläufige Unterbringung berücksichtigt wird, haben wir erreicht, dass die Bürgermeister unter sich eine gewisse Solidarität einfordern. Wenn also jemand einen übermäßigen Rückstand hat, gehe ich davon, dass er von seinen Kollegen angesprochen würde. Das ist ein sehr positiver Effekt. Die Zahlen der neu zugewiesenen Flüchtlinge sind zudem zurückgegangen.
Wie sind die Prognosen?
Da kann ich keine Einschätzung abgeben. Das hängt von Faktoren ab, die außerhalb Europas gesetzt werden. Und keiner weiß, wie erfolgreich die Politik auf der Bundes- und Europaebene sein wird und wie viele Flüchtlinge noch zu uns kommen.
Ein sehr lokales Thema ist dagegen die vom Betreiber gewünschte Erweiterung des Steinbruchs in Rielingshausen. Eine Bürgerinitiative wehrt sich dagegen. Sehen Sie eine Zunahme solcher Protestformen?
Völlig losgelöst vom Thema Steinbruch: Wir bekommen in zunehmendem Maße eine Betroffenheitspolitik. Das ist nicht abwertend gemeint. Es ist aber so, dass sich immer mehr Menschen zu Wort melden, und zwar fast immer aus persönlicher Betroffenheit. Wenn es diesen Bereich verlässt, ist das Interesse in der Regel erstaunlich gering.
Zum Inhaltlichen: Die Stadt spricht sich entschieden gegen die Pläne zur Erweiterung aus. Wenn die Firma Klöpfer nun mit einem anderen Vorschlag kommt und den Steinbruch beispielsweise teilweise ins Landschaftsschutzgebiet ausdehnen wollte, würde das Landratsamt da mitspielen?
Zunächst einmal gilt es, die konkrete Änderung des Regionalplans durch den Verband Region Stuttgart abzuwarten. Auf dieser Grundlage entscheiden wir alles nach dem konkreten Sachverhalt, sobald ein Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorliegt. Aber sie können davon ausgehen, dass solche Schutzgebiete in unserem hochverdichteten Raum eine hohe Priorität haben. Dabei ist auch zu beachten, dass bei einer Erweiterung in das Landschaftsschutzgebiet auch der Rems-Murr-Kreis betroffen wäre. Alles in allem will ich deshalb dem Kommenden nicht vorgreifen.


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